Retention Management (RM) versus Fluktuation
Inhaltsverzeichnis
- Welche drei Facetten zeigt ein Commitment?
- Wie setzt man das betriebliche Anreizsystem als Instrument des RM ein?
- Was ist das Drei-Komponenten-Modell des Organisationalen Commitments?
- Was versteht man unter Affektives Organisationales Commitment (AOC)?
- Was sind Aspekte des AOC?
- Was versteht man unter Kalkuliertes Organisationales Commitment (KOC)?
- Was versteht man unter Normatives Organisationales Commitment (NOC)?
- Immaterielle Anreize zur Bildung von AOC
- Was sind immaterielle Anreize zur Bildung von KOC?
- Was sind immaterielle Anreize zur Bildung von NOC?
- Wie zeichnet sich das immaterielle Anreizsystem aus?
- Was bedeutet Fluktuation?
- Verbrannte Erde? Der Umgang mit Exit-Entscheidungen
- Nicht für immer verloren: Ehemalige anbinden
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen haben dazu geführt, dass sich Unternehmen vermehrt mit der Bindung ihrer Mitarbeiter an die Organisation auseinandersetzen.
Treue und loyale Mitarbeiter bringen wichtige Vorteile für das Unternehmen mit sich. Personal, welches sich für seinen Arbeitgeber einsetzt und ihm auch in schwierigen Zeiten Vertrauen entgegenbringt, gibt dem Unternehmen Sicherheit und trägt zur Kostenminimierung bei. In diesem Sinne kann eine geringe Fluktuation als etwas grundsätzlich Positives betrachtet werden.
Nach Moser entstehen weniger monetäre Kosten (Aufwand für Neurekrutierung, Verlust der Investitionen in Ausbildung, Abfindungen) und es sind auch weniger sozialpsychologische Kosten zu verzeichnen (Störung von Gruppenprozessen, Neugestaltung von Arbeitsabläufen).
Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungswirtschaft hat zudem bewirkt, dass das entscheidende Wissen und Können nicht mehr in den Maschinen, sondern in den Mitarbeitern steckt. Meist ist dieses Wissen und Können unternehmensspezifisch und übersteigt das Berufs- oder Studienwissen erheblich.
Der Mitarbeiter und sein Wissen sind aus dieser Perspektive also Überlebensfaktoren des Unternehmens.
Die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunde ist zwangsläufig nicht alleine an das Produkt, sondern auch an die daran beteiligten Menschen und somit an die einzelnen Mitarbeiter gebunden.
Neben diesen unternehmerischen Vorteilen gibt es aber auch einige Nachteile von starker Bindung und damit verbundener geringer Fluktuation. Ein Unternehmen, in dem die Mitarbeiter stark gebunden sind, hat aus unternehmenskulturspezifischen Gründen mehr Mühe damit, sich von leistungsschwachen Mitarbeitern zu trennen. Eine niedrige Fluktuation kann nach Moser (1998) zudem bewirken, dass aufgrund der geringen Mitarbeiterwechsel Innovationsbereitschaft, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens gehemmt werden.
Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Mitarbeiterbindung ist aus unternehmerischer Perspektive demnach notwendig. Diese Notwendigkeit wird dadurch verstärkt, dass sich auch aus Arbeitnehmerperspektive ein Wandel in Bezug auf diese Thematik vollzogen hat. Die westlichen Gesellschaften haben sich in den letzten Jahren von Arbeiter- zu Freizeitgesellschaften entwickelt. Dies hat nach Nerdinger (1995) zu einem Wertewandel geführt, der sich darin äußert, dass Arbeit als solches nicht mehr unhinterfragt angenommen und der Freizeit vorangestellt wird.
Bedürfnisse der Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung verdrängen Werte wie Loyalität und Unterordnung. Weiterbildungen und Umschulungen liegen im Trend und Firmenjubiläen von 20, 30 Jahren trifft man heute schon eher selten an.
Auch die Flexibilisierung und Globalisierung der Märkte ging nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorüber.
Nach Gmür & Klimecki schlägt sich die Forderung der modernen Marktwirtschaft, in kürzester Zeit auf Veränderungen reagieren zu können, nicht nur in flexiblen Arbeitszeitmodellen, sondern auch in befristeten Arbeitsverträgen und kürzeren persönlichen Karriereplänen nieder.
Die Mitarbeiter „drehen den Spiess um, indem sie das Unternehmen in die Rolle eines flexibel verfügbaren und beliebig austauschbaren Betätigungsfelds drängen“ (Gmür & Klimecki, 2001, S. 29).
Retention Management (RM) wird von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP, 2004) als Ergebnis von Managementaktivitäten verstanden, das die richtigen Mitarbeiter motiviert, im Unternehmen zu bleiben, effizienter und effektiver zu arbeiten und sich loyal gegenüber dem Unternehmen zu verhalten.
Das RM umfasst nach dem Arbeitskreis Retention (DGFP, 2004) alle systematischen Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, die für das Unternehmen strategisch wichtigen Mitarbeiter an sich zu binden. Der Begriff Retention steht in Verbindung mit der Einstellung des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen und hat außerdem eine starke psychische Komponente. Retention wird einerseits durch Veränderungen der Werteinschätzung und Lebenseinstellung der Mitarbeiter und andererseits durch Veränderungen der Unternehmensorganisation, -strategie und -kultur beeinflusst.
Der Einfluss des Unternehmens auf die Mitarbeiter und umgekehrt wird erreicht, indem die Werte und Einstellungen der beiden Parteien konvergieren. Spricht man von Retention, muss man aber beachten, dass eine lebenslange Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen unwahrscheinlich ist. Vielmehr geht es bei Retention darum, die Personalhaltung im Sinne einer engen Personalbindung zu verstehen, nach dem Motto: Die Mitarbeiter sind „able to go but happy to stay“.
Eine hohe Bindung ans Unternehmen hat also positive wie negative Auswirkungen, wobei die Bindung der Mitarbeiter nicht von vornherein gegeben ist.
Wenn sich Unternehmen eine starke Mitarbeiterbindung wünschen, müssen sie sich aktiv darum bemühen. Die entscheidende Frage ist schlussendlich, bei welchen Mitarbeitern dies der Fall sein soll. Meist sind es die sogenannten „Key People“, gut ausgebildete, talentierte Mitarbeiter mit Karriereplänen, die man unter allen Umständen ans Unternehmen binden möchte.
Meist geht es darum, geeignete materielle und immaterielle Anreize zu setzen, damit die gewünschten Mitarbeiter im Unternehmen bleiben. Das Retention Management versucht also, durch ein geeignetes Anreizsystem die Fluktuation der Mitarbeiter zu steuern. Oftmals geschieht nach Gauger (2000) diese Anreizsetzung mit dem Ziel der Mitarbeiterbindung eher intuitiv, ohne auf die psychologischen Prozesse und Abläufe zu rekurrieren, die „Bindung“ verursachen.
Commitment heißt wörtlich übersetzt „Bindung“ und steht nach Moser dafür, dass Menschen Verhaltensweisen beibehalten resp. wiederholen und auf andere Optionen verzichten.
Gebunden sein oder sich gebunden fühlen kann ein struktureller Sachverhalt oder ein psychologischer Zustand sein. Die Unterschrift unter einen Arbeitsvertrag stellt eine strukturelle Bindung dar, zurückzuführen auf einen äußeren Umstand wie z.B. das Arbeitsrecht. Dieselbe Unterschrift kann aber auch zur Empfindung führen, an eine Zusage gebunden zu sein, z.B. eine Arbeit im Sinne des Arbeitgebers zu erfüllen. Beide Formen können nach Moser sowohl miteinander einhergehen als auch unabhängig voneinander existieren.
Beide Formen von Bindung gehen mit dem Verzicht auf das Wahrnehmen von Verhaltensoptionen einher, doch sind sie unterschiedlich motiviert und motivieren unterschiedlich.
Strukturelle Bindung ist das Ergebnis von Umgebungsfaktoren. Auf der Erlebnisebene wirkt sie eher neutral und geht vor allem mit bestimmten Kognitionen einher. Das Empfinden einer Bindung geht demgegenüber mit Affekten einher. Man fühlt sich gebunden auf Grund einer positiven Beziehung.
Bestrafung, Belohnung und Affekt sind dabei die drei Mechanismen, die mit Bindung einhergehen können.
Commitment im Sinne solcher Bindungen kann sich auf Personen, Produkte aber auch Organisationen beziehen.
Commitment gegenüber Personen wird als Treue, gegenüber Produkten als Marken- oder Produkttreue bezeichnet.
Organisationales Commitment (OC), die Treue gegenüber einer Organisation, bedeutet nach Moser (1996), dass eine Person darauf verzichtet, bestimmte Verhaltensoptionen wie z.B. ein alternatives Stellenangebot wahrzunehmen, weil sie Bestrafung vermeiden will, Belohnung erhält oder Empfindungen gegenüber der Organisation hegt (Affekt).
Eine eindeutige Definition von Commitment ist auf Grund der Vielzahl bestehender Konstruktdefinitionen nicht einfach. Morrow (1983) hat beispielsweise über 25 verschiedene commitment-ähnliche Konzepte in der Literatur gefunden.
Auch wenn über die Entstehung von Commitment Uneinigkeit herrscht, über die Folgen von Commitment ist man sich grundsätzlich einig.
Welche drei Facetten zeigt ein Commitment?
- Identifikation mit der Organisation
- Anstrengungsbereitschaft
- geringe Fluktuationsneigung
Die Zusammenhänge zwischen betrieblichem Anreizsystem, organisationalem Commitment und der Fluktuation im Rahmen des RM zeigt nachfolgende Abbildung. Durch die bewusste Ausgestaltung des Anreizsystems kann via Erhöhung des Commitments die Fluktuation gesenkt werden.
Ist einmal entschieden, welche Mitarbeiter wie lange ans Unternehmen gebunden werden sollen, gibt es eine Menge an Wirkmechanismen, um diese zum Bleiben zu ermutigen.
Dabei werden Einflussvariablen unterschieden, die vom Management unmittelbar beeinflussbar (z.B. das Vergütungssystem) und solche, die tendenziell nicht oder allenfalls mittelbar zugänglich sind (z.B. die Wertetradition).
Als unmittelbar zugängliches Steuerungsmittel des RM bzw. des HRM kann das betriebliche Anreizsystem betrachtet werden. Ziel ist es, ein System von Anreizen zu schaffen, auf das die Mitarbeiter-Segmente in gewünschter Weise reagieren.
Im Folgenden werden die Möglichkeiten des betrieblichen Anreizsystems als Instrument des RM detaillierter betrachtet.
Wie setzt man das betriebliche Anreizsystem als Instrument des RM ein?
Wie vorhin erläutert, sind die Steuerungsmittel eines professionellen RM die betrieblichen Anreize. Zum Thema der Anreizsetzung, -wirkung und -ausgestaltung existiert eine Fülle konzeptioneller und empirischer Forschungsresultate.
Eine differenzierte Betrachtung dieses Forschungsgebietes würde den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen. Zur tiefergreifenden und breiteren Auseinandersetzung mit dem Thema Anreizsystem wird auf die spezifische Literatur verwiesen (z.B. Lindert, 2001).
Eine plakative Aufzählung und Klassifizierung von betrieblichen Anreizen soll die nachfolgende Abbildung darstellen:
Was ist das Drei-Komponenten-Modell des Organisationalen Commitments?
Das Phänomen dieser beziehungsähnlichen Bindung haben Forscher auf unterschiedliche Art zu beschreiben und erklären versucht. Eine dieser Möglichkeiten ist das psychologische Konstrukt des Organisationalen Commitments.
Im Commitment-Konzept von Allen und Meyer (1990) werden sowohl strukturelle als auch psychologische Bindungsarten unter einem Konstrukt zusammengefasst.
OC nach dem Drei-Komponenten-Modell von Allen & Meyer (1990), bestehend aus affektivem, kalkuliertem und normativem Commitment, zeigt auf, wie und weshalb Menschen eine „Beziehung“ mit einem Unternehmen eingehen.
Dieses Modell impliziert, dass Personen mit hohem Organisationalen Commitment eine emotionale Verbundenheit zur Organisation, eine individuelle Kosten-Nutzen-Kalkulation und eine Verpflichtung der Organisation gegenüber empfinden.
Einerseits hat die Bereitschaft, OC zu zeigen, mit der persönlichen Motivstruktur und der Persönlichkeit der Mitarbeiter zu tun, andererseits kann OC aber unabhängig von individuellen Unterschieden durch organisatorische Rahmenbedingungen in entscheidender Weise beeinflusst werden.
Es gibt also nicht einfach Menschen mit oder ohne Commitment. Commitment kann durch gezielte Maßnahmen, also gezieltes RM, beeinflusst werden.
Dabei spielen die immateriellen Anreize des betrieblichen Anreizsystems eine tragende Rolle.
Eine Folge von OC ist, dass durch die stärkere Bindung ans Unternehmen das Verlassen dieser unwahrscheinlicher wird. Commitment ist in mehreren Studien im Rahmen multifaktorieller Modelle als direkter oder indirekter Prädiktor von Fluktuationsverhalten bestätigt worden.
Nachfolgende Aufzählung gibt eine Übersicht über die verschiedenen Arten von OC sowie über deren motivationale Grundlagen.
Arten von Organisationalem Commitment (OC) | Motivationale Grundlagen |
Affektives Organisationales Commitment (AOC) | Internalisation von Normen und Werten der Organisation |
Kalkuliertes Organisationales Commitment (KOC) | Abwehren des Verlusts von Seitenwetten; fehlende Alternativen |
Normatives Organisationales Commitment (NOC) | Loyalität; empfundene Verpflichtung |
Was versteht man unter Affektives Organisationales Commitment (AOC)?
Die erste Komponente, basierend auf den Forschungsergebnissen von Mowday et al. (1982), ist auf die emotionale oder affektive Bindung konzentriert, die Personen gegenüber ihren Organisationen eingehen.
Allen und Meyer (1990) bezeichnen dieses Konzept als affektives OC.
Was sind Aspekte des AOC?
- ein starker Glaube an und eine Akzeptanz von Zielen und Werten der Organisation
- die Bereitschaft, sich für die Organisation einzusetzen
- ein starkes Bedürfnis, die Mitgliedschaft in der Organisation aufrecht zu erhalten
Was versteht man unter Kalkuliertes Organisationales Commitment (KOC)?
Die zweite Komponente ist eher struktureller Art, d.h. hier wird Commitment als Folge von konsistentem Verhalten und der damit verbundenen Kosten, die für das Individuum entstünden, wenn es die Organisation verließe, betrachtet.
Basierend auf der Arbeit von Moser (1996) wird das kalkulierte oder auch fortsetzungsbezogene OC als ein strukturelles Phänomen bezeichnet, das als Resultat der Transaktion zwischen Individuum und Organisation und einer Änderung der sogenannten Seitenwetten (side-bets) entsteht.
Als „Seitenwette“ können bereits getätigte Investitionen in die Organisation bezeichnet werden, auf deren positive Auswirkung das Organisationsmitglied gewissermaßen „wettet“. Das zentrale Merkmal einer Seitenwette besteht nach Moser (1996) darin, dass durch die Einbeziehung von an sich irrelevanten „Interessen“, der Verlust einer Seitenwette durch Inkonsistenz so „teuer“ werden würde, dass dies nicht mehr möglich ist. In diesem Sinne fühlen Individuen sich an eine Organisation gebunden, weil Investitionen, die mit dem bisherigen Verhalten einhergegangen sind, verloren gehen, wenn Alternativen wahrgenommen werden.
Was versteht man unter Normatives Organisationales Commitment (NOC)?
Für die dritte Komponente beziehen Allen und Meyer einen Theorieansatz ein, der von Schmidt, Hollmann & Sodenkamp (1998, S. 95) nach von Wiener (1982) vertreten wird. „Danach resultiert Commitment aus der moralischen Verpflichtung, sich in einer Weise zu verhalten, die den Zielen und Interessen der Organisation entspricht. Personen mit hohem Commitment bleiben demnach der Organisation nicht persönlicher Vorteile wegen treu, sondern weil sie glauben, dies sei das „richtige“ und erwartungskonforme Verhalten.“
Diese von Meyer und Allen als normatives OC bezeichnete Komponente beschreibt den Umfang, in dem sich eine Person der Organisation gegenüber loyal und opferbereit sowie zurückhaltend mit Kritik verhält. Dieses moralische Commitment ist als Ausdruck eines positiven Gefühls angesichts von Schwierigkeiten, Widrigkeiten oder zu erbringenden Opfern am besten wohl mit „Loyalität“ zu vergleichen.
Nach Allen & Meyer (1990, S. 3) stehen die drei Formen des Organisationalen Commitments dafür, dass Personen in einer Organisation bleiben, weil sie wollen (AOC), weil sie müssen (KOC) oder weil sie sich verpflichtet fühlen (NOC).
Immaterielle Anreize zur Bildung von AOC
Ziel der immateriellen Anreize des RM zur Bildung von AOC ist der „Aufbau von Emotionen“.
Es soll erreicht werden, dass sich die Mitarbeiter dank geeigneter langfristig wirkender Anreize leichter und nachhaltiger mit dem Unternehmen identifizieren und sich in ihre Arbeit involviert fühlen.
Dabei spielen vor allem die immateriellen Anreize der Arbeitsaufgabe, aber auch Aspekte der Anreize des organisatorischen Umfelds, der sozialen Anreize und des Arbeitskontextes eine Rolle.
Die Anreize des organisatorischen Umfeldes zur Bildung von AOC sollten so gestaltet sein, dass sich ein Individuum möglichst leicht mit den organisatorischen Gegebenheiten identifizieren kann. Dabei kommt der Unternehmenskultur als Widerspiegelung der Werte und Normen eine tragende Rolle zu.
Für AOC sind Unternehmensgrundsätze, die Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit, Wertschätzung und Unterstützung gegenüber den Mitarbeitern ausstrahlen, von großer Bedeutung. Dies sind Werte, die in zwischenmenschlichen Beziehungen von den meisten Menschen als wichtig und zentral erachtet werden.
Werden diese Grundsätze im Unternehmen gelebt, so wird der Großteil der Belegschaft eine Kongruenz mit ihren eigenen Wertvorstellungen erfahren. Wertekongruenz ist Voraussetzung für Identifikation und stellt eine geeignete Grundlage dar, die Organisation in den persönlichen Wertekontext zu integrieren. Dies ermöglicht nach Gauger (2000) eine erhöhte Verknüpfung privater mit organisatorischen Interessen und somit wird die Involvierung in die Organisation gefördert. Ziel ist es, eine sogenannte Vertrauenskultur aufzubauen.
Ein weiterer Aspekt ist ein offener innerbetrieblicher Informationsfluss. Wenn Informationen zum Geschäftsgang, zum finanziellen Erfolg und zur Strategie den Mitarbeitern offen zugänglich gemacht werden, zeugt dies von Vertrauen (vgl. dazu auch Teil 1.3 und Teil 3.1) in die Belegschaft und damit auch in die Mitarbeiter.
Den Mitarbeitern wird dadurch vermittelt, dass ihnen zugetraut wird, die Informationen erstens zu verstehen und zweitens im Sinne der Unternehmung damit umgehen zu können. Dadurch wird den Mitarbeitern Wertschätzung entgegengebracht, was wiederum affektives Commitment durch Identifikation fördert.
Kombiniert mit der oben beschriebenen Vertrauenskultur eignet sich ein antizipativer Führungsstil (vgl. dazu Teil 1.7) optimal zur Ausbildung von AOC. Die Einbeziehung in Entscheidungsprozesse ermöglicht es dem Mitarbeiter, seine eigenen Vorstellungen und Werte einbringen zu können, was bei deren Umsetzung die Identifikation fördert. Partizipation fördert zudem das Vertrauen in die Entscheidungen der Organisation.
Ein Unternehmen, das gegen innen vertrauenswürdig, gerecht und offen mit seinen Mitarbeitern umgeht, fördert so indirekt sein Image nach außen. Es lohnen sich aber auch direkte Investitionen zur Imagepflege. Setzt sich ein Unternehmen für gesellschaftliche Werte wie z.B. Umweltschutz oder Kulturpflege ein, erhöht dies sehr wahrscheinlich die emotionale Bindung der Mitarbeiter an die Organisation. So sponsert z. B. die Ruhrgas AG seit Ende der 1980er Jahre große Sonderausstellungen des Folkwang Museums in Essen.
Es sollte sichergestellt sein, dass alle diese Elemente effizient kommuniziert sowie bei Umsetzung honoriert und bei Verletzung sanktioniert werden. Es sollten bewusste Kommunikationsplattformen wie z.B. Infoveranstaltungen, schwarze Bretter, Intranet und Schulungen vorhanden sein, um den Mitarbeitern die Unternehmensgrundsätze zugänglich zu machen.
Nebst der Kommunikation müssen zur Unterstützung der Umsetzung im wahrsten Sinne des Wortes Zeichen gesetzt werden. Wichtigste Signalwirkung kommt dabei dem Top-Management zu. Es muss sich geschlossen hinter die definierten Ziele und Werte stellen und entsprechendes Verhalten zeigen.
Einen wichtigen sozialen Anreiz zur Bildung von AOC hat vor allem die Beziehung zum Vorgesetzten.
Es zeigt sich dabei, dass vor allem zwei Aspekte dieser Beziehung commitment-relevante Effekte erzielen:
- die Kommunikation
- die gewährte Unterstützung durch den Vorgesetzten
Wie bereits in vorhergehenden Abschnitten aufgezeigt wurde, hat die Qualität des Informationsflusses an die Mitarbeiter einen positiven Einfluss auf das AOC. Dies ist als eine wichtige Führungsaufgabe zu erachten und darf von Vorgesetzten in der Wichtigkeit nicht unterschätzt werden.
Eine gute Kommunikation und ein reibungsloser Informationsfluss zwischen Vorgesetztem und Unterstelltem haben aber – vor allem bezogen auf das Feedback der Arbeitsleistung des Mitarbeiters – eine commitment relevante Funktion (weiterführende Details zum Feedback siehe im Teil 3.1).
Eine Versorgung mit Informationen über die Güte der eigenen Arbeitsleistung erhöht das gegenseitige Verständnis und die Möglichkeit, den Erwartungshaltungen gerecht werden zu können. Mit dem Ziel, die Arbeitsleistung dadurch zu verbessern, wird nach Gauger (2000) beim Mitarbeiter eine positive Selbsteinschätzung generiert, was die Identifikation mit dem organisatorischen Kontext erhöht. Regelmäßige bilaterale Feedbackgespräche wirken auch hier unterstützend.
Der zweite Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Vorgesetzten wichtig erscheint, ist die Unterstützung der Mitarbeiter. Nebst der Unterstützung bei Rollen- oder Zielkonflikten, kann der Vorgesetzte bei der Umsetzung von eigenen Ideen unterstützend eingreifen. Dies fördert nach Gauger (2000) die Selbstentfaltung und somit Identifikation und affektives Commitment. Auch hier zeigt sich die persönliche Interaktion als Schlüssel zum Erfolg. Dabei sind alle Kommunikationskanäle (persönliches Gespräch, E-Mail, Telefon, interne Post) zu benutzen.
Die Gruppenmitgliedschaft wirkt sich dann positiv auf das AOC aus, wenn eine vollständige Integration in das soziale Arbeitsumfeld stattgefunden hat. Wer ein Zusammengehörigkeitsgefühl empfindet, dem fällt nach Gauger (2000) die Identifikation mit dem entsprechenden Kontext der Organisation leichter. Eine Integration der Mitarbeiter kann durch geeignete Strukturen gefördert werden, indem Mitarbeiter mit ähnlichen Aufgabenbereichen zu Arbeitsteams zusammengeschlossen werden.
Da die tatsächliche Integration aber vor allem auf persönlichen Sympathien beruht, kann die Struktur alleine nicht viel bewirken. Es braucht vor allem Möglichkeiten zur sozialen Kommunikation zwischen den Mitarbeitern. Durch interne Sozialräume und Mitarbeiter- oder Teamanlässe wird diese gefördert.
Die Karrieremöglichkeiten und die PE als Anreize des Arbeitskontextes fördern die Entstehung von AOC dadurch, dass sie Selbstverwirklichung und Entfaltung der Mitarbeiter ermöglichen.
Durch ein transparentes Aufzeigen der möglichen Karriereoptionen (z.B. im MAG; vgl. dazu Teil 4.1) wird dem Mitarbeiter signalisiert, dass dem Unternehmen sein berufliches Fortkommen wichtig ist. Weiter wird durch die Bereitstellung von Maßnahmen zur Wissens- und Persönlichkeitsentwicklung dem Mitarbeiter vermittelt, dass es dem Unternehmen „Wert“ ist, in ihn zu investieren.
Karriere und Personalentwicklung fördern vor allem dann die Identifikation mit dem Unternehmen, wenn durch persönliche Beratungsgespräche oder Coaching-Maßnahmen durch den Vorgesetzten oder Mitarbeiter der Personalentwicklung die Wünsche und Vorstellungen des Mitarbeiters erfüllt werden. Die Möglichkeit zur individuellen Ausgestaltung der Karriere- und Entwicklungsschritte ist somit starren, traditionellen Laufbahngrundsätzen vorzuziehen.
Was sind immaterielle Anreize zur Bildung von KOC?
Ziel der immateriellen Anreize des RM zur Bildung von KOC ist die „Darbietung von Vorteilen“. Es soll erreicht werden, dass sich für die Mitarbeiter dank geeigneter Anreize möglichst hohe Opportunitätskosten beim Verlassen der Unternehmung ergeben.
Dabei spielen vor allem die immateriellen Anreize des Arbeitskontextes, aber auch Aspekte der Anreize des organisatorischen Umfelds, der Arbeitsaufgabe und der sozialen Anreize eine Rolle.
Um durch das organisatorische Umfeld das KOC fördern zu können, muss sich dieses in erster Linie vom organisatorischen Umfeld alternativer Jobangebote abheben. Dazu können die Größe, der Standort und das Image der Organisation unter Umständen positiv beitragen.
Hat ein Unternehmen ein positives Image als Arbeitgeber, ist es durch seine relative Größe in der Gesellschaft bekannt und befinden sich die Arbeitsräumlichkeiten an einem vorteilhaften Standort, so eignen sich diese Aspekte der immateriellen Anreize bereits gut als potenzielle „Seitenwetten“. Wann Standort und Größe für einen Mitarbeiter als Seitenwette in Frage kommen, ist sehr individuell. Beim Image hingegen kann man davon ausgehen, dass eine Investition in allgemeingültige Werte – wie vorhin genannt Umweltschutz oder Kulturpflege – lohnen.
Strategie und Kultur fördern das KOC dann, wenn die daraus abgeleiteten Unternehmensgrundsätze in einer wahrgenommenen Besserstellung der Mitarbeiter relativ zu anderen Jobalternativen resultieren.
Eine Organisation, in der Gerechtigkeit gelebt wird und Versprechen gehalten werden, reduziert potentielle Unsicherheiten. Die Mitarbeiter sind in ihren Handlungen freier und wissen, dass sie die Möglichkeit zur individuellen Fokussierung auf Aufgaben besitzen.
Dies fördert die positive Wahrnehmung der Organisation gegenüber Alternativorganisationen.
Eine Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse (Partizipation) ermöglicht die Einbringung individueller Vorstellungen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit der individuellen Selbstverwirklichung, die sich bezogen auf das KOC dahingegen äußert, dass die Organisation Gauger (2000) im Vergleich zu anderen Organisationen besser wahrgenommen wird. Hier gilt, wie bereits erwähnt, dass Strategie, Kultur und Führungsstile kommuniziert und effektiv gelebt werden müssen.
Damit ein Arbeitsinhalt zur Bildung von KOC beiträgt, sollten die auszuführenden Tätigkeiten erstens als Herausforderung wahrgenommen werden und zweitens einen Spielraum zur Verwirklichung individueller Vorstellungen lassen. So hebt sich nach Gauger (2000) der Arbeitsinhalt dieser Stelle von alternativen Stellenangeboten ab. Die so durch den Arbeitsinhalt entstehenden Austrittsbarrieren können durch spezielle Förderung und „training on the job“ verstärkt werden.
Je spezifischer das benötigte Wissen ist, umso höher werden die Austrittsbarrieren. KOC, welches durch den Arbeitsinhalt angeregt wird, setzt also eine gewisse Spezifikation der Tätigkeit voraus.
Ähnlich verhält es sich mit den Anreizen der Arbeitsplatzgestaltung sowie der Arbeitszeit- und Pausenregelung. Kann der Arbeitnehmer diese in seinem Sinne gestalten, erhöht dies die Austrittsbarrieren. Es ist anzunehmen, dass eine flexible Arbeitsplatzgestaltung sowie Arbeitszeit- und Pausenregelung, wie bereits weiter oben kurz beschrieben, die Austrittsbarriere weiter erhöht.
Eine Rolle umfasst nicht nur das Bündel an Erwartungen seitens der Organisation, eine Rolle ist auch immer mit einem gewissen Status innerhalb der Organisation verbunden. Je bedeutungsvoller die Rolle eines Mitarbeiters ist, umso höher wird sein Status in der sozialen Hierarchie. Hat ein Mitarbeiter in der Organisation einen Status erlangt, den er in einer anderen Organisation nicht ohne weiteres erlangen könnte, wirkt die Rolle wiederum als „Seitenwette“ und fördert KOC. Damit ein Status auch wirklich als solcher wahrgenommen werden kann, ist eine Differenzierung z.B. über den Grad an individuellen Rechten und Anerkennung notwendig. Es ist also von Vorteil, die Hierarchiestufen und damit verbundene Vorteile für den Mitarbeiter offen zu kommunizieren. Dies kann Aufgabe der Vorgesetzten oder der HR-Manager sein.
Die Beziehung zum Vorgesetzten, als Teil der sozialen Anreize, fördert dann vor allem KOC, wenn eine intensive individuelle Unterstützung des Mitarbeiters durch den Vorgesetzten erfolgt.
Idealerweise nimmt der Vorgesetzte dabei eine Coachinghaltung ein. Coaching kann ja nicht nur als Führungsinstrument, sondern auch als Personalentwicklungsmaßnahme eingesetzt werden.
Den Anreizen des Arbeitskontextes kommt die größte Hebelwirkung bei der Bildung von KOC zu. Das Aufzeigen von Karriereoptionen ist sehr förderlich. Die Aussicht, durch eine Beförderung mehr Status, Salär und Anerkennung zu bekommen, erhöht die Bedeutung der Organisation gegenüber anderen Alternativen.
Für die Entstehung von KOC bezogen auf die Karriere ist es von Vorteil, wenn transparent vermittelt wird, was für Leistungsnachweise, Ausbildungen und sonstige Kompetenzen üblicherweise eine Beförderung begründen. Dadurch wird dem Mitarbeiter die Möglichkeit geboten, spezifische Investitionen in Kompetenzbereichen zu tätigen, in denen er zum jetzigen Zeitpunkt einer Beförderung hinderliche Schwächen aufweist.
Dieses Aufzeigen von Entwicklungsbedarf durch psychologische Instrumente wie z.B. ein Assessment Center oder ein 360°-Feedback kann als Teilanreiz der Personalentwicklung betrachtet werden (vgl. dazu Teil 3.1).
Eine PE, die dem Mitarbeiter nebst der Bedarfsanalyse auch noch in den eruierten Feldern Hilfe anbietet, fördert die Bildung von KOC zusätzlich.
Wenn die Anforderungen an Führungs- oder Fachkräften klar definiert sind, stellt dies eine höhere Austrittsbarriere dar.
Des Weiteren wirkt die Unterstützung bei der Erreichung der relevanten Kompetenzen durch die PE als Vorteil gegenüber Organisationen, wo diese Möglichkeit nicht besteht. Die PE kann vor allem dann positiv zur Förderung beitragen, wenn das spezifische Humankapital eines Mitarbeiters individuell gefördert wird. Nebst spezifischen Schulungen stellt dabei das individuelle Werkzeug des Coachings die effizienteste Variante dar.
Was sind immaterielle Anreize zur Bildung von NOC?
Ziel der immateriellen Anreize des RM zur Bildung von NOC ist der „Aufbau normativer Verpflichtungen“. Es soll erreicht werden, dass sich die Mitarbeiter dank geeigneter Anreize möglichst stark zum Verbleib in der Organisation verpflichtet fühlen.
Dabei spielen vor allem die immateriellen Anreize der Arbeitsaufgabe, aber auch Aspekte der Anreize des organisatorischen Umfelds, der sozialen Anreize und des Arbeitskontextes eine Rolle.
Diejenigen immateriellen Anreize des organisatorischen Umfeldes, die Einfluss auf die Bildung von NOC nehmen können, sind vor allem die Unternehmenskultur, Partizipation und der innerbetriebliche Informationsfluss.
Es zeigt sich, wie schon zur Bildung von AOC und KOC, dass eine Unternehmenskultur, die auf Gerechtigkeit, Vertrauen und Unterstützung gegenüber den Mitarbeitern basiert, Commitment fördert.
Hier wirkt vor allem das Ausgleichsprinzip. Wenn seitens des Unternehmens Vertrauen, Gerechtigkeit und Unterstützung angeboten werden, fühlt sich der Mitarbeiter nach Gauger (2000) zur Gegenleistung verpflichtet.
Vor allem Unterstützungen, die über gesetzlich vorgeschriebene Rahmenbedingungen hinausgehen, fördern das NOC.
Unternehmenskultur, Partizipationsmöglichkeiten und betriebliche Informationen sollten dem Mitarbeiter möglichst unmittelbar erfahrbar gemacht werden. Dabei ist nebst der Kommunikation von Unternehmens- und Führungsgrundsätzen vor allem entscheidend, dass diese auch wirklich gelebt werden.
Der Anreiz, der sich am effektivsten zur Förderung von NOC eignet, ist die Rolle des Mitarbeiters im organisatorischen Kontext.
Die Rolle eines Mitarbeiters, betrachtet als das Bündel an Erwartungen seitens der Organisation, ist dazu prädestiniert, normative Verpflichtungen zu generieren. Aus diesen wahrgenommenen Erwartungen werden die Inhalte der subjektiven Verpflichtung der Organisation gegenüber abgeleitet.
Je wichtiger die Rolle innerhalb des Unternehmens ist, desto höher sind die Rollenerwartungen. Je weiter oben in der Hierarchiestufe sich ein Mitarbeiter demnach befindet, desto größer ist der Hebeleffekt der Rolle zur Bildung von NOC. Bestehen nun Unklarheiten hinsichtlich der Erwartungen an den Mitarbeiter, können klare Verpflichtungen nur schwer wahrgenommen werden.
Rollenklarheit stellt daher für den Aufbau von NOC eine notwendige Bedingung dar.
Zur Erreichung dieser Rollenklarheit sind nebst einer umfassenden Stellenbeschreibung vor allem Feedbackgespräche mit dem Vorgesetzten oder mit Teammitgliedern dienlich. Dadurch wird dem Mitarbeiter klar kommuniziert, was von ihm erwartet wird. Zugleich wird dem Mitarbeiter im Gespräch Wertschätzung entgegengebracht, da ihm Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet werden. Betrachtet man zudem den unterstützenden Aspekt von Feedbackgesprächen, verpflichtet schon das Gespräch an sich zur Gegenleistung.
Als ein zentraler sozialer Anreiz hat vor allem die Beziehung zum Vorgesetzten Einfluss auf die Bildung von normativem Commitment. Investiert der Vorgesetzte Zeit und Aufmerksamkeit in den Mitarbeiter und bringt er ihm durch die Bereitstellung
relevanter Informationen Vertrauen entgegen, spiegelt sich darin auch eine gewisse Erwartungshaltung wider.
Der Mitarbeiter empfindet die entgegengebrachte Wertschätzung als Vorleistung, die ihn zur Gegenleistung in Form von Treue und Arbeitsleistung verpflichtet. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich das Vertrauen des Vorgesetzten als eine generelle Bereitschaft zur Unterstützung äußert.
Es zeigt sich auch hier, dass ein intensiver persönlicher Kontakt zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter die Bildung von Commitment fördert.
Die Gruppenmitgliedschaft kann ebenfalls einen Einfluss auf NOC haben. Ist ein Mitarbeiter in eine Gruppe integriert, ergeben sich aus den Rollenerwartungen innerhalb der Gruppe bestimmte Verpflichtungen. Dazu gehört am ehesten die Erwartung, sich im Interesse der Gruppe zu verhalten. Damit dieses Commitment gegenüber der Gruppe nicht mit dem Commitment gegenüber der Organisation konkurriert, ist nach Gauger (2000) eine Konvergenz der Interessen von Gruppe und Organisation notwendig.
Als wichtige Führungsaufgabe haben Vorgesetzte also auch im Sinne des NOC darauf zu achten, dass die Gruppeninteressen mit den Interessen der Unternehmung übereinstimmen.
Das Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten kann positiv zur Ausbildung von NOC beitragen. Wird im persönlichen Gespräch mit dem Vorgesetzten oder einem HR Verantwortlichen signalisiert, dass bei Verbleib im Unternehmen diese oder jene Karriereoption in Frage käme, so wird dem Arbeitnehmer und seiner Leistung Vertrauen entgegengebracht. Dieses Vertrauen bezieht sich nicht nur auf gegenwärtige, sondern vor allem auch auf zukünftige Leistungen.
Dieser Vertrauensvorschuss hat, wie bereits mehrmals aufgezeigt, einen Einfluss auf die Ausbildung von NOC. Der Vertrauensvorschuss verpflichtet zur Gegenleistung. Ähnlich verhält es sich mit der Personalentwicklung. Werden Entwicklungsmaßnahmen als Investitionen in das Humankapital betrachtet, verpflichten diese im Sinne einer Vorleistung zur Gegenleistung. Zugleich leiten sich aus Ausbildungsinvestitionen erhöhte Erwartungen seitens der Organisation ab.
Wer auf Kosten der Unternehmung z.B. einen Sprachkurs oder ein Kommunikationsseminar besucht hat, von dem wird erwartet, in den besagten Punkten einen Lerneffekt zu zeigen. Steigen die Erwartungen, erhöht sich die normative Verpflichtung. Auch bezogen auf das NOC sind demnach eine transparente Beförderungspolitik und eine aktive PE von Vorteil.
Zusammengefasst zeigt sich, dass die immateriellen Anreize, die sowohl zur Ausbildung des affektiven, des kalkulierten als auch des normativen Organisationalen Commitments führen, gewisse Ähnlichkeiten aufweisen.
Bei einigen Ausprägungen der immateriellen Anreize ist festzustellen, dass diese gleichzeitig, wenn auch basierend auf unterschiedlichen Wirkmechanismen, AOC, KOC als auch NOC fördern.
Da dies bei mehreren Anreizen der Fall ist, kann zusammenfassend ein Idealbild eines Anreizsystems formuliert werden, das gleichzeitig alle drei Commitment-Komponenten fördern sollte.
Wie zeichnet sich das immaterielle Anreizsystem aus?
- ein gutes Image der Organisation als Arbeitgeber gegen innen und außen
- eine Anpassung von Unternehmensstrategie, -struktur und -kultur, die offen kommuniziert, tatsächlich umgesetzt, gefördert und allenfalls sanktioniert wird
- eine Vertrauenskultur mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und Wertschätzung der Mitarbeiter
- einen offenen betrieblichen Informationsfluss zwischen allen Hierarchieebenen einer Organisation
- einen partizipativen Führungsstil
- ganzheitliche, herausfordernde, bedeutungsvolle und autonom ausführbare Tätigkeiten und klar definierte Stellen mit Handlungs-, Entscheidungs- und Kontrollspielraum
- klare, transparente Rollen innerhalb der Organisation und der Arbeitsgruppe, bezogen auf Rollenerwartungen als auch Rollenstatus
- eine relative Freiheit in der Arbeitsplatzgestaltung
- flexible Arbeitszeit- und Pausenregelungen
- Beziehungen zu Vorgesetzten, die sich durch offene Kommunikation, regelmäßige persönliche Interaktion, gegenseitige Wertschätzung, Feedback und Unterstützung auszeichnen
- Möglichkeiten zur sozialen Interaktion innerhalb der Gruppe als auch der gesamten Organisation
- eine Offenlegung der Karrieremöglichkeiten und eine transparente Beförderungspolitik
- individuelle Personalentwicklung und -förderung
Als eine Teilmöglichkeit, RM in der beruflichen Praxis umzusetzen, wird eine Initiative der Firma Palfinger Europe mit dem Namen Palfit in der Beilage 3 angeführt.
Was bedeutet Fluktuation?
Selbst Unternehmen, die die komplette Palette des RM nutzen, müssen sich mit dem Thema der Fluktuation auseinandersetzen.
In Anlehnung an William und Livingstone (1994) wird das Verhältnis von Leistung und Fluktuation in nachfolgender Abbildung grafisch dargestellt:
Hierbei zeigt sich, dass die Fluktuation sowohl bei geringer Leistung (geringe Zufriedenheit und Anerkennung), als auch bei hoher Leistung (gute Angebote) ansteigt.
Freiwillige Fluktuation gehört zur betrieblichen Normalität. Wie sie sich innerhalb
des Unternehmens konkret auswirkt, lässt sich aber in einigen Dimensionen gestalten.
Dazu gehören zum einen ein respektvoller Umgang mit der Entscheidung des „abtrünnigen“ Mitarbeiters und eine möglichst umfassende Übergabe an den Nachfolger. Es lassen sich aber auch „Ehemalige“ wieder ans Unternehmen binden.
Insgesamt erfährt der Umgang mit scheidenden Mitarbeitern, sei es bei arbeitgeberseitigen Kündigungen oder freiwilligem Weggang, eine hohe Aufmerksamkeit in der Belegschaft. Das Verhalten des Managements in solchen Schlüsselsituationen wird von der internen Öffentlichkeit im Unternehmen meist sehr sensibel registriert.
Verbrannte Erde? Der Umgang mit Exit-Entscheidungen
Manche Betriebswechsler erleben, sobald ihre Kündigung auf dem Tisch liegt, einen starken Bruch in den Umgangsformen. Teilweise entlädt die Enttäuschung von „verlassenen“ Kollegen und Vorgesetzten sich auch in wütenden Anrufen oder E-Mails, in denen die scheidenden Mitarbeiter der Illoyalität und „Fahnenflucht“ bezichtigt werden. Für Mitarbeiter, denen die Fluktuationsentscheidung – gerade aufgrund der Loyalität gegenüber Personen – oftmals schwer fiel, stellen diese Reaktionen eine zusätzliche Belastung dar.
Und in manchen Fällen übersehen „gekränkte“ Vorgesetzte möglicherweise noch vorhandene Chancen, den fluktuationswilligen Mitarbeiter zu halten.
Aus Unternehmenssicht kommt dem Umgang mit den Jobwechslern eine hohe Bedeutung zu. Eine bewusste Gestaltung der Phase zwischen ausgesprochener Kündigung und schließlich dem Ausscheiden kann für das Unternehmen, die verbleibenden Kollegen wie auch den Nachfolger von hohem Wert sein – sei es, um in einem Exit-Interview Hinweise auf Motivationsbarrieren im Unternehmen zu erhalten, sei es durch eine umfassende „Geschäftsübergabe“ (vgl. Teil 3.1).
Die verbleibende Zeit konstruktiv zu nutzen, steht gerade da an, wo zentrale Know-how-Träger aus dem Unternehmen ausscheiden und der Transfer von Erfahrungswissen an Kollegen oder Nachfolger notwendig ist.
Nicht für immer verloren: Ehemalige anbinden
In der Abschiedsphase die Basis für eine zukünftige Kooperation zu legen, erscheint auch in anderer Hinsicht als wichtig: Ehemalige Mitarbeiter sind potenzielle Empfehlungsgeber für ein Unternehmen. In manchen Fällen werden sie zu neuen, besonders engen Geschäftspartnern.
Nicht zuletzt sind einstige Angestellte auch mögliche zukünftige Mitarbeiter.
Die Einarbeitung ehemaliger Mitarbeiter ist wesentlich weniger aufwendig als bei Betriebsfremden; ihre Leistungsfähigkeit und ihre Integration in das Unternehmen sind mit weniger Risiken behaftet. In US-amerikanischen Unternehmen ist der Aufbau von Alumni-Netzwerken zunehmend eine übliche Praxis.
Auch der deutsche Chiphersteller Infineon „nutzt bereits das Potenzial der so genannten Alumni: „Wir fragen regelmäßig nach, ob sie sich vorstellen können, wieder bei uns zu arbeiten“ (Gillies 2005, S. 21).
Besonders die Kostenfrage darf im Zusammenhang mit der Fluktuation nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Kosten einer zu hohen Fluktuation mit der Qualifikation der Mitarbeiter steigen proportional und sind im Segment der „High Potential“ Mitarbeiter sehr hoch.
Nach Trost (2011) gibt es sichtbare und direkte, als auch versteckte und indirekte Kosten, die durch Fluktuation entstehen. Somit sind die realen Kosten, die die Unternehmen wegen Fluktuation zu tragen haben, nur sehr schwer zu verifizieren.
Nach Thom (2002) ist das eineinhalb- bis dreifache des Jahresgehaltes pro zu ersetzendem Mitarbeiter zu rechnen.
Nach Moser/Saxer (2002) wird sogar ein Mehrfaches davon gerechnet, da die Opportunitätskosten nur schlecht abschätzbar sind.
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