Welche Hemmnisse im Rahmen des organisatorischen Wandels gibt es?

Zuletzt aktualisiert: 06.04.2023

Das vorangegangene Kapitel belegt deutlich, dass der organisatorische Wandel in der heutigen Zeit  im Unternehmensalltag eher zur Regel als zur Ausnahme gehören sollte. Stellt sich die Frage, weshalb es Unternehmen oftmals sehr schwer fällt, diesen organisatorischen Wandel zu akzeptieren, geschweige denn erfolgreich umzusetzen. 

Praxisbeispiel: Der Hersteller hochwertiger Design-Fernsehgeräte LOEWE AG ging bis 2003 davon aus, dass die Umstellung der Nachfrage vom Röhren- zum Flatscreen-Fernseher insbesondere im Hochpreissegment noch lange Jahre dauern würde. Von der Dynamik der Marktsituation, in welcher 2004 bereits ein Drittel aller TV-Geräte Flatscreen-Fernseher waren, wurde das Unternehmen völlig überrascht. 

Erschwerend kam hinzu, dass das Unternehmen seine eigenen Kapazitäten im Bereich der Produktion bis 2003 immer noch auf Röhrengeräte ausgerichtet hatte. Das Unternehmen konnte nur durch den Einstieg des Weltmarktführers für Flachbildschirme (Sharp) gerettet werden. 

Das Verhalten des Unternehmens im oben geschilderten Praxisbeispiel mag überraschen, vor allem da es sich keinesfalls um eine nicht-absehbare Marktentwicklung handelte. Leider bestätigt die Realität, dass dieses Verhalten eine sehr typische Art der Nicht-Reaktion seitens Unternehmen darstellt. Eine Studie aus dem Jahre 2004, durchgeführt von Kraus & Haghani, hat gezeigt, dass mehr als sechzig Prozent der Unternehmen erst dann auf den externen Druck reagieren, wenn bereits Umsatz- und Ergebniseinbrüche zu verzeichnen sind. Die Studie leitet daraus ab, dass die Unternehmensverantwortlichen scheinbar erst aufgrund einer akuten Krisensituation aufgerüttelt werden, um den Wandel anzustoßen. Leider ist es dann oftmals bereits zu spät, Versäumtes nachzuholen. 

Welche Unternehmenswiderstände gegen den externen Wandel gibt es?

Das rechtzeitige Erkennen und Reagieren auf einen notwendigen organisatorischen Wandel kann für ein Unternehmen existenzentscheidend sein. Worin liegt nun der Grund, dass trotz dieses Wissens, viele Unternehmen viel zu spät oder gar nicht auf die externen Ursachen des Wandels reagieren? 

Auf gesamtorganisatorischer Ebene können die nachfolgend genannten Faktoren jeweils die entscheidenden Verursacher von Wandelhemmnissen oder zumindest Wandelblockaden auf gesamtorganisatorischer Ebene sein. Sie verhindern dadurch die Initiierung bzw. die Planung der notwendigen Veränderungen.

Wann kann die Unternehmenskultur als Wandelhemmnis gelten?

Empirische Studien haben über Jahrzehnte hinweg analysiert, welches die maßgeblichen Bedingungen sind, die dazu führen, dass Organisationen den Wandel umgehen bzw. vermeiden. Zwei Faktoren wurden hierbei erkannt, welche die notwendige Initiierung von Veränderungsmaßnahmen auf gesamtorganisatorischer Ebene verhindern: 

  1. Wandelhemmnis Organisationsstruktur: Hierbei wurden vor allem Organisationen mit einem hohen Maß an Zentralisation, einer hochgradig formalisierten Ablauforganisation sowie einem hohen Produktionsvolumen mit Fokus auf Effizienz identifiziert. In solch ein Raster fallen vor allem traditionelle Massengüterhersteller, welche versuchen, mit herkömmlichen Produkten die bestehenden Marktanteile gegenüber der innovativeren und schnelleren Konkurrenz zu verteidigen. Diese Organisationen zeichnen sich durch eine starre und durch Bürokratie geprägte Aufbauorganisation aus. Diese zentralistische Ausrichtung führt dazu, dass die Entscheidung in Bezug auf einen notwendigen Wandel nur hierarchisch top-down angewiesen werden kann. Eine Eigeninitiative z.B. ausgehend von Stellen, welche näher am Marktgeschehen agieren, wird aufgrund der Organisationsstruktur unterbunden. 
  2. Wandelhemmnis Unternehmenskultur: eine starke Unternehmenskultur ist zum einen ein wertvoller Erfolgsfaktor für die Organisation. Jedoch stellt ebendiese auch ein Hemmnis in Bezug auf Veränderungen dar. Starke Kulturen sind samt ihrer Organisationsmitglieder überzeugt von sich und ihrer Leistungsstärke. Jedes Organisationsmitglied ist überzeugt und stolz, Teil des Unternehmens zu sein und somit zum maximalen Leistungsbeitrag motiviert. Aber eine starke Kultur erzeugt genau aus diesem Grunde auch „den Nährboden für die Vermeidung kognitiver Dissonanz“. Jegliche Form der Selbstkritik oder Selbstzweifel wird im Rahmen der starken Kultur abgelegt, Kritik oder Zweifel von außen werden abgelehnt oder ignoriert. In diesem Zustand der „Betriebsblindheit“ manövriert sich das Unternehmen mitsamt seiner starken Unternehmenskultur gegebenenfalls stolz und überzeugt in die Krise, da man die Zeichen nicht erkennen wollte. 

Wann können Wirtschaftliche Gründe als Wandelhemmnis gelten?

Jegliche Form von organisatorischem Wandel verursacht Kosten. Die Kosten sind oftmals relativ leicht bereits im Planungsstadium des Wandels auf Basis der definierten Veränderungsmaßnahmen zu bestimmen. Die Erträge, welche aus dem Wandel hervorgehen können bzw. sollen, sind dahingegen aufgrund der Komplexität und der Dynamik der Märkte nur selten im Vorfeld bereits zu bestimmen. 

Somit stehen relativ klar definierte Kostenblöcke einem unbestimmten Faktor Ertrag gegenüber. Oftmals scheuen die Unternehmen aus diesem Grunde die Entscheidung in Bezug auf einen notwendigen Wandel, da das Kosten-Ertrags-Verhältnis nicht abgesichert ist. 

Zusätzlich können Veränderungen dazu führen, dass bereits getätigte Investitionen obsolet werden. Auch hier führt dieser psychologische Unsicherheitsfaktor dazu, dass man an etwas festhält, was aber eventuell dazu führen kann, dass das Gesamtunternehmen in eine ernste Krisensituation geführt wird. Denn werden bereits getätigte Investitionen wertvoller, wenn man die von extern geforderten, notwendigen Veränderungen nicht vollzieht? Natürlich nicht. Stattdessen führt das Festhalten an den Investitionen bzw. der bisherigen Unternehmensausrichtung möglicherweise zu einer existenz-bedrohenden Situation. 

Wann gibt es individuelle Widerstände innerhalb des Unternehmen als Reaktion auf den Wandel?

Der organisatorische Wandel bewirkt Veränderungen in allen Unternehmensbereichen mit Auswirkungen unterschiedlichster Art auf die einzelnen Organisationsmitglieder. Die Veränderung bewirkt in der Regel bei einem Großteil der betroffenen Organisationsmitglieder ein Gefühl der Unsicherheit und der Angst vor dem Neuen. Nur ein kleiner Teil der Organisationsmitglieder sieht in der Veränderung auch die Chance auf das Neue. 

Daher gehen organisatorische Veränderungsprozesse immer mit Widerständen unterschiedlicher Stärke seitens der Mitarbeiter einher. Der Widerstand resultiert in einer Art mentalen Blockade, welche hauptsächlich dann entsteht, wenn die Organisationsmitglieder durch die Veränderung eine Verschlechterung oder Benachteiligung befürchten. Die Widerstände können sowohl einzeln, bezogen auf eine Person, oder aber auch innerhalb einer gesamten Organisationseinheit (Team, Abteilung) auftreten. 

Man kann die Ursachen der Widerstände in zwei Gruppen einteilen: ein Teil resultiert aus einer mangelnden Bereitschaft zur Anpassung (man will nicht), der andere Teil resultiert aus einer mangelnden Fähigkeit zur Anpassung (man kann nicht). Letztere Gruppe kann zum Teil auch eine gewisse Trägheit beinhalten, wenn sich Organisationsmitglieder gegen Weiterbildungen oder fachliche Qualifizierungsmaßnahmen sträuben. 

Welche drei Arten von Widerständen gibt es?

Im Rahmen von Veränderungsprozessen lassen sich drei unterschiedliche Arten von Widerständen erkennen, welche alle zeitgleich auftreten können. Jede der Arten resultiert aus unterschiedlichen Ursachen. 

  1. Rationaler Widerstand: der rationale Widerstand basiert auf nachvollziehbaren und logischen Gründen und ist daher der am leichtesten zu handhabende Widerstand. Im Umgang mit dem rationalen Widerstand sollte versucht werden, klar nachvollziehbar die entscheidende Notwendigkeit des Wandels zu begründen. Tatsachen und Fakten sollten offengelegt werden, damit der Widerstand in Verständnis und Einsicht umgewandelt werden kann. 
  2. Politischer Widerstand: diese Widerstandsart resultiert aus der Angst bzw. Unsicherheit, den bisherigen Einfluss bzw. die bisherige Position innerhalb der Organisation zu verlieren. Das Problem am politischen Widerstand ist, dass dieser selten offen aus- bzw. angesprochen wird. Stattdessen lassen sich Betroffene zu irrationalen Handlungsweisen hinreißen, nur um ihre eigene Position und die vermeintliche Macht zu sichern. Durch offene und direkte Ansprache sollte versucht werden, die Betroffenen in den Veränderungsprozess einzubinden und ihnen die zukünftigen Perspektiven aufzuzeigen. Falls der Widerstand trotzdem weiter anhält, sollte eine Trennung in Erwägung gezogen werden, da der politische Widerstand jegliche Bemühungen in Bezug auf den Wandel untergraben kann. 
  3. Emotionaler Widerstand: der emotionale Widerstand entsteht aus Befürchtungen und Angst vor dem Neuen. Oftmals kann man die Ursache nicht rational erklären, es ist ein unbestimmtes Gefühl. Dies kann z.B. aus Unsicherheit vor der Zukunft, Versagens-Ängsten oder Verlust-Ängsten entstehen, was den Betroffenen aber oftmals nicht als Ursache bewusst sind. Der emotionale Widerstand ist der am schwersten zu handhabende, denn er kann mit reinen Worten und Fakten oft nicht behoben werden. Die Betroffenen benötigen vielmehr einen vertrauensvollen Kontakt, dem sie die Ängste (sofern bewusst) oder das „ungute“ Gefühl anvertrauen können, sodass anschließend anhand von vertrauensvollen Gesprächen der Widerstand stückweise abgebaut werden kann. 

Widerstände werden selten offen kommuniziert oder dargelegt (z.B. in Form von Arbeitsverweigerung oder Streik). Aber anhand von typischen Merkmalen lassen sie sich erkennen: 

  • Entscheidungsprozesse geraten plötzlich ins Stocken, eine allgemeine Rat- und Lustlosigkeit ist spürbar, die Arbeit kommt nur noch mühsam voran, das Betriebsklima kippt ins Aggressive (offen oder unterschwellig).
  • Das Leistungsniveau sinkt, Mitarbeiter verlassen vermehrt das Unternehmen bzw. haben innerlich gekündigt, was sich in einer Art von Resignation zeigt. 
  • Nebensächlichkeiten gewinnen plötzlich an Bedeutung, keiner scheint mehr ein einheitliches Ziel zu haben, stattdessen wird über Belangloses diskutiert
  • Konstruktive Kommunikation sinkt ab, stattdessen steigt die destruktive Kommunikation, alles erscheint in einer pessimistischen und negativen Grundstimmung

Welche unterschiedliche Personentypen im Wandel gibt es?

Aus der Erfahrung zeigt sich, dass hinsichtlich Verhalten und Reaktion bei Veränderungen die Organisationsmitglieder in verschiedene Gruppen eingeteilt werden können. 

Von der Gesamtheit der Betroffenen steht etwa ein Drittel den Veränderungen offen gegenüber; ein Drittel verhält sich neutral; ein Drittel tritt in Widerstand und lehnt die Veränderung ab. Hieraus differenzierend kann man sieben Personentypen und Verhaltensweisen benennen, welche im Rahmen von Veränderungsprozessen auftreten: 

  1. Visionäre bzw. Missionare: sie stammen zumeist aus der Führungsebene und haben an der Entwicklung und Planung des Veränderungsprozesses mitgewirkt. Sie verfügen über alle relevanten Informationen, um sich ein Gesamtbild von der Zukunft zu machen und stehen mit absoluter Überzeugung hinter dem Projekt. Im Rahmen des Veränderungsprozesses versuchen sie, die restlichen Organisationsmitglieder von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit zu überzeugen und zum aktiven Mitwirken zu motivieren. 
  2. Aktive Gläubige: diese Personengruppe hat die bevorstehenden Veränderungen bereits akzeptiert und ist motiviert und bereit, aktiv ihren Beitrag zu den bevorstehenden Veränderungen zu leisten. Die aktiven Gläubigen nehmen die zusätzlichen Impulse seitens der Visionäre/Missionare bereitwillig auf und geben die Ideen und Gedanken innerhalb der Organisation gerne weiter. 
  3. Opportunisten: bewerten die bevorstehenden Veränderungen zunächst mal hinsichtlich der persönlichen Vor- und Nachteile, die ihnen möglicherweise entstehen könnten. Oftmals treten sie im Wandel mit zwei Gesichtern auf: gegenüber den veränderungsbereiten Vorgesetzten treten sie als Unterstützer und Befürworter der Veränderung auf; gegenüber den Kollegen und Mitarbeitern treten sie als Skeptiker auf. 
  4. Abwartende und Gleichgültige: zu diesem Typ gehören in der Regel Organisationsmitglieder ohne direkte Führungsverantwortung. Sie sind kaum bereit, sich aktiv an den Veränderungen zu beteiligen, sondern wollen passiv abwarten, was passiert. Um aus diesem Typ Befürworter des Wandels zu machen, müssen klare Fortschritte und Erfolge des Veränderungsprozesses präsentiert werden. 
  5. Untergrundkämpfer: Die Untergrundkämpfer äußern nicht offen und direkt ihre Meinung, sondern gelten vielmehr als die Stimmungsmacher und Hetzer im Hintergrund. 
  6. Offene Gegner: Die offenen Gegner zeigen ihre ablehnende bzw. verweigernde Haltung direkt. Sie sind der festen Überzeugung, dass die Veränderungen falsch sind. Im Gegensatz zu den Opportunisten und den Untergrundkämpfern geht es den offenen Gegnern nicht um ihre persönliche Situation, sondern um das Unternehmen. Daher ist es immer ratsam, das Gespräch mit den offenen Gegnern zu suchen, da ihre Einwände gegebenenfalls die geplanten Maßnahmen der Veränderung positiv ergänzen können.
  7. Emigranten: dieser Typ hat für sich beschlossen, das Unternehmen aufgrund der anstehenden Veränderungen zu verlassen. Oftmals sind es Leistungsträger, die aufgrund der anstehenden Veränderungen für den Zeitraum der Veränderung und im Anschluss keine Perspektive für sich sehen. Die Anzahl von Emigranten gibt gewissermaßen den bisherigen Erfolg oder Misserfolg des Veränderungsprozesses vor: eine hohe Quote von Emigranten bedeutet oftmals, dass die Veränderungen und die Gründe und Maßnahmen nicht ausreichend oder verständlich kommuniziert wurden. 

Die Widerstände, welche vor allem bei den Personentypen 4 bis 7 auftreten, haben zwar unterschiedliche Ursachen, nähren sich aber in der Regel aus nachfolgend erklärten Defiziten im Rahmen des Wandels. Diese Erläuterungen ergaben sich aus einer Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft Diebold, an welcher 150 Unternehmen verschiedener Branchen teilnahmen: 

  • Das Unternehmen und die Mitarbeiter verfügen über unterschiedliche Werte- und Zielsysteme. Hieraus entstehen zum einen Vorbehalte gegenüber den Veränderungen, welche sich bis zu einer Unvereinbarkeit zwischen den Zielen des Unternehmens und den individuellen Zielen ausweiten können.
  • Die Organisation hat kein einheitliches Verständnis bzw. Wissen in Bezug auf die aktuellen Schwierigkeiten und Probleme. Dadurch fehlt es an der notwendigen Einsicht, dass der Wandel notwendig ist. Zusätzlich fehlt es oftmals auch an einem einheitlichen Lösungsbewusstsein und Konsens bezüglich des angestrebten Veränderungsprozesses. Wenn Mitarbeiter nicht wissen, in welcher problematischen Lage das Unternehmen sich befindet, und was zur Lösung der Lage geplant ist, woher soll dann das Verständnis und die Bereitschaft für den Wandel kommen?
  • Das vorgenannte Defizit geht oftmals einher mit mangelnden Informationen und fehlender Kommunikation in Bezug auf die Veränderungen. Die Führungsebene scheut oftmals die Offenlegung von Informationen. Dabei würde gerade diese Offenheit häufig die Akzeptanz und den Willen zur aktiven Mitgestaltung des Wandels bei den Mitarbeitern hervorrufen. 
  • Die Mitarbeiter haben weder zu den Initiatoren des Wandels noch zu den ausführenden Verantwortlichen genug Vertrauen, um ihre Widerstände (verursacht durch Ängste und Unsicherheit) abzulegen. 
  • In den einzelnen Phasen der Veränderungen erfolgt keine aktive Einbindung der betroffenen Personengruppen. Sie haben dadurch das Gefühl, ausgeschlossen zu sein bzw. übergangen zu werden und übernehmen daher eine passive Rolle, sie schließen sich dem Typ Abwartende oder Untergrundkämpfer an. 
  • Organisationsmitglieder empfinden die Veränderung als persönliche Herabstufung oder sogar Herabwürdigung. Wenn die Betroffenen in den geplanten Maßnahmen zur Veränderung negative Konsequenzen für sich persönlich erkennen, ist klar, dass diese den Wandel nicht mittragen werden.
  • Veränderungsprozesse verursachen für die Organisationsmitglieder immer einen zusätzlichen Mehraufwand. Falls dieser zusätzliche Mehraufwand nicht begründet zielgerichtet kommuniziert wird bzw. die Mitarbeiter mit dem Mehraufwand alleine gelassen werden, kann dies sowohl zu psychischer als auch physischer Überlastung führen, was schlussendlich ebenfalls zu Widerstand führt. 

Anhand der beschriebenen Defizite und Ursachen für Widerstände gegen den Wandel wird deutlich, dass erfolgreiche Veränderungsprozesse sich nicht von oben herab durchsetzen lassen. Vielmehr hängt der Erfolg der Veränderungsprozesse von der Akzeptanz aller Betroffenen ab. Nur wenn es den Verantwortlichen gelingt, durch gezielte Maßnahmen eine organisationsübergreifende Akzeptanz der Veränderung zu erreichen, gestaltet sich der Wandel erfolgreich. 

Wie sieht der Umgang mit Widerständen aus?

Der Widerstand ist eine verständliche und menschliche Reaktion auf Veränderungen. Die Problematik liegt darin, dass der Widerstand nur in den wenigsten Fällen offen und klar ausgesprochen wird. Vielmehr wird er zurückgehalten oder nur innerhalb eines begrenzten Bereiches (z.B. Team, befreundete Kollegen) angesprochen. Dies birgt das Risiko, dass durch diese Art des gegenseitigen Aufstachelns der Widerstand noch zusätzlich wächst, bzw. plötzlich auf andere Organisationsmitglieder überspringt, die bisher den Veränderungen offen entgegentraten. 

Es ist fatal, Widerstände im Rahmen von Veränderungsprozessen zu ignorieren oder zu übergehen. Die Initiatoren des Wandels bzw. die Veränderungsverantwortlichen müssen sich den tatsächlichen oder möglichen Widerständen bewusst sein und sich damit auseinandersetzen. 

Angesichts bevorstehender Veränderungen werden drei Fragen für die Organisationsmitglieder von elementarer Bedeutung: 

  • Weshalb die Veränderung und zu welchem Zweck?
  • Welche Auswirkung oder Konsequenz hat die Veränderung für mich persönlich? 
  • Bin ich in der Lage, (fachlich und methodisch kompetent) die Veränderung zu schaffen? 

Anhand der Fragen wird deutlich, dass die sachlichen und emotionalen Sachverhalte eng zusammenhängen. 

Im Hinblick auf den Umgang mit Widerständen muss daher im Veränderungsprozess immer sowohl die emotionale als auch die sachliche Ebene bearbeitet werden. Es reicht nicht aus, die Mitarbeiter mit „kalten“ Zahlen, Daten und Fakten zu versorgen. Die emotionale = psychologische Ebene muss immer mit einbezogen werden. 

Die Bedeutung der Berücksichtigung der emotionalen Ebene wird anhand der einzelnen Phasen der Veränderung sehr deutlich. Die wahrgenommene eigene Kompetenz schwankt über den Zeitraum des Veränderungsprozesses sehr stark. Für jede Phase ist eine spezifische Maßnahme für den Umgang mit bzw. die Überwindung der Widerstände notwendig

Die Literatur zum Thema Veränderungsprozesse und organisatorischer Wandel halten eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen in Bezug auf den Umgang mit und den Abbau von Widerständen bereit. 

Diese gelten aber nicht als „Allheilmittel“, sondern müssen jeweils in den situativen Kontext passen sowie unternehmensspezifisch und individuell angepasst werden. Wichtigstes Kernelement im Umgang mit Widerständen ist aber immer die richtige Informations- und Kommunikationsweise, sowie eine aktive Einbindung der von der Veränderung betroffenen Organisationsmitglieder.

Maßnahmen zur Überwindung von Widerständen im Veränderungsprozess
Maßnahmen zur Überwindung von Widerständen im Veränderungsprozess

Nachfolgend werden die wichtigsten Maßnahmen zur Überwindung von Widerständen beschrieben: 

Information: im Falle von bevorstehenden Veränderungsprozessen müssen alle Organisationsmitglieder rechtzeitig und umfassend über den Grund und das Ziel des Wandels in Kenntnis gesetzt werden. Durch offene und klare Information erfahren die Organisationsmitglieder zum einen Wertschätzung und Vertrauen, zum anderen schafft es die Grundlage für Verständnis und Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit. 

Aktive Beteiligung: vom Wandel betroffene Bereiche sowie Organisationsmitglieder sollten frühzeitig mit in den Veränderungsprozess eingebunden werden. Ihr Wissen und ihre Erfahrung unterstützen in vielen Fällen zusätzlich den Erfolg des Wandels. 

Vertrauensvolle Kommunikation: eine offene und vertrauensvolle Kommunikation ermöglicht den erfolgreichen Umgang mit Widerständen. Insbesondere, um den emotionalen Widerständen zu begegnen, bedarf es eines vertrauensvollen Arbeitsumfelds, in welchem sich die Organisationsmitglieder an entsprechende Führungskräfte oder anderweitige Verantwortliche wenden können, um ihre Ängste, Einwände oder Unsicherheiten anzusprechen, ohne daraus Konsequenzen befürchten zu müssen. Des Weiteren bedarf es eines regelmäßigen Austauschs und Feedbacks zwischen den Organisationsmitgliedern sowie den für die Veränderungsprozesse Verantwortlichen, um den Fortschritt, Erfolge aber ggfs. auch Verbesserungsvorschläge in beide Richtungen kommunizieren zu können. 

Training und Qualifizierung: jeder Wandel bringt Veränderungen mit sich; mit den Veränderungen einher geht die Befürchtung seitens der Organisationsmitglieder, ob sie fachlich und methodisch kompetent in der Lage sind, die neuen Anforderungen zu bewältigen. In Abstimmung mit den anstehenden Veränderungen müssen den betroffenen Organisationseinheiten und -mitgliedern sowohl methodisch-fachliche als auch persönliche Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden. Je früher dies erfolgt, umso höher ist die Bereitschaft seitens der Organisationsmitglieder, den Wandel mitzutragen. Durch die Qualifizierungsmaßnahmen werden frühzeitig Vorbehalte, Vorurteile und Ängste, welche aus „Nicht-Wissen“ resultieren, abgebaut. 

Schutz und Unterstützung: Insbesondere Organisationsmitglieder, welche durch die bevorstehenden Veränderungen benachteiligt werden, sollten besonderen Schutz und Unterstützung erfahren. Dies kann z.B. in Form von Umschulungsmaßnahmen, Wahrung von Besitzständen, Arbeitsplatzsicherungsmaßnahmen erfolgen. Sobald die Organisationsmitglieder spüren, dass sie nicht alleine oder gar fallen gelassen werden, sind sie bereit, den Wandel mitzutragen, statt ihn zu boykottieren. 

Belohnung: Veränderungsprozesse verursachen immer Mehraufwand, welcher zusätzlich zum Tagesgeschäft bewerkstelligt werden muss. Es ist daher zu empfehlen, dass die maßgeblichen Leistungsträger des Veränderungsprozesses nach erfolgreicher Implementierung in einer angemessenen Form belohnt werden. 

Coaching und Mentoring: nach der erfolgreichen Qualifizierungsmaßnahme sollte der Wissenstransfer mithilfe eines Coaching-Prozesses begleitet werden. Die Organisationsmitglieder benötigen aktive Unterstützung im Transfer des neuen Wissens in die Arbeitsabläufe des Tagesgeschäftes. Ein Coach (extern oder intern) bietet hierbei die notwendige Unterstützung und ist gleichzeitig auch Anlaufstelle für Fragen in Bezug auf die neuen Methoden, Verhaltensweisen, Prozesse, Strukturen. Dadurch schafft man bei den Organisationsmitgliedern ein Gefühl von Sicherheit und Zuversicht, den Wandel erfolgreich umsetzen zu können.

Im Verlauf der Integrationsphase, wenn die Veränderungen zur Normalität werden, sollte der Prozess weiterhin durch ernannte Mentoren begleitet werden. Die Aufgabe der Mentoren ist vor allem die Stabilisierung der erzielten Veränderungen. Zusätzlich treten die Mentoren als Ansprechpartner und Ratgeber in Bezug auf den vollzogenen Veränderungsprozess. 

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