Wie kann der organisatorische Wandel gestaltet werden?

Zuletzt aktualisiert: 15.02.2024

Im Gegensatz zu den Neu- bzw. Umstrukturierungen der 90er Jahren waren die Veränderungen in den Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren viel umfassender und tiefgreifender. Begründet wird dies mit den tiefgreifenden und kontinuierlichen Markt- und Wettbewerbsveränderungen, welche von den Unternehmen eine ständige Neuorientierung und Neubestimmung erfordern. Die früher gewohnten Veränderungsprozesse im Sinne von Kosten- und Strukturanpassungen reichen in der heutigen Situation schon lange nicht mehr aus. Die modernen Marktbedingungen erfordern zwischenzeitlich von den Unternehmen weit mehr in Bezug auf Veränderungen als nur die Suche nach Rationalisierungsmöglichkeiten. 

Die Unternehmensveränderungen betreffen zwischenzeitlich sowohl die Unternehmensausrichtung als auch die Organisation, die Unternehmenskultur sowie die eingesetzten Systeme und Technologien. 

Dauerhaften unternehmerischen Erfolg werden zukünftig nur noch die Organisationen erzielen können, welche es schaffen, den kontinuierlichen Veränderungsprozess sowohl als festen Bestandteil der Unternehmensführung zu etablieren, als auch die erforderlichen Maßnahmen organisatorischen Wandels erfolgreich umzusetzen. 

Die Entstehung des Change Managements lässt sich auf Organisationsentwicklung in den USA der 30er Jahre zurückführen. In unterschiedlichen Untersuchungen zur Leistungssteigerung von Mitarbeitern wurde festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen für den Grad der Leistungen weniger wichtig sind; viel bedeutender ist der Umgang mit den Mitarbeitern in Bezug auf Führung, Wertschätzung und Anerkennung.

Kurt Lewin, einer der bedeutendsten Pioniere der Psychologie und Mitbegründer der modernen experimentellen Sozialpsychologie, baute auf diesen Erkenntnissen auf und führte in den 40er Jahren weitergehende Untersuchungen durch. Zum einen erforschte er im Rahmen seiner Projekte das Verhalten von Gruppen sowie die Vorteile und den Nutzen von Gruppenarbeiten.

Seine Erkenntnisse wurden in Organisationen wie Union Carbide, Volvo, Esso Standard Oil anhand von umfangreichen Programmen umgesetzt, welche zum einen Teamentwicklung, Gruppentrainings und Innovationstechniken beinhalteten. In der praktischen Anwendung wurde recht schnell deutlich, dass die bisher vorliegenden individualpsychologischen Ansätze zu wenig über das Zusammenwirken in komplexen Systemen aussagten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Faktor Mensch, mit all seinen persönlichen und individuellen Zielen, sozialen Bedürfnissen und Beziehungen im Rahmen der Organisation kaum beachtet; noch weniger Beachtung fand er im Rahmen von Organisationsveränderungen.

Ausgehend von den Erkenntnissen der 50er Jahre wurde schnell deutlich, dass ein radikales Umdenken in Bezug auf das bisherige Verständnisse von Organisation, Organisationsveränderungen und die Rolle des Menschen innerhalb der Organisation eintreten muss. 

Es begann damit, dass die neue Phase der Organisationsentwicklung die Organisation und die dazugehörenden Mitglieder nicht mehr isoliert betrachtet, sondern als eine Einheit, welche untereinander in unterschiedlichen Beziehungen und Abhängigkeiten steht. Das Bild der Organisation wandelte sich in eine komplexe Einheit, welche in Beziehung untereinander und mit der Umwelt steht und dadurch nur als ganzheitliches System sinnvoll verändert werden kann.

Das neue Konzept der Organisationsentwicklung hatte zu diesem Zeitpunkt aber noch eine Schwachstelle: strategische Aspekte wurden kaum berücksichtigt. Stattdessen konzentrierte sich das neue Konzept vor allem auf die humane Gestaltung der Arbeitsumgebung. Dieser Schwachpunkt ist der Grund, dass sich das Konzept bis zum Ende der 80er Jahre nicht wirklich durchsetzen konnte. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelte sich eine neue Bewegung, welche die Organisation und deren Veränderungen sowohl mit dem strategischen als auch strukturellen Aspekt zusammenführte: dies war die Entstehung des Change Management Ansatzes, welcher seither ein fester Bestandteil im Rahmen der modernen Unternehmensführung ist.

Welche Veränderungszyklen gibt es?

„Nichts ist beständiger als der Wandel“ (Heraklit, etwa 500 Jahre v.Chr.): Der Wandel und Veränderungen sind somit keine neuartigen Phänomene, lediglich die Dynamik und Geschwindigkeit, in denen sich die Veränderungen vollziehen, haben sich in den vergangenen Jahren enorm beschleunigt. 

Wer die Vergangenheit kennt und die Geschehnisse bzw. Entwicklungen entsprechend interpretieren kann, vermag darauf aufbauend die zukünftigen Entwicklungen besser vorherzusehen bzw. abzuschätzen. Daher lohnt es sich, nach Parallelen zwischen Entwicklungen der Gegenwart, Vergangenheit sowie Zukunft zu forschen und damit die Konstanten des menschlichen Verhaltens zu betrachten. 

Die wirtschaftlichen Veränderungszyklen lassen sich am anschaulichsten anhand der Theorie der langen Wellen erläutern. Nikolai Kondratieff entwickelte in den 1920er Jahren die grundlegende These, welche besagt, dass die Wirtschaft jeweils in langen Zyklen wachse und schrumpfe. Erfindungen und technologische Neuerungen verursachen nach dem Verständnis von Kondratieff einen Innovationsschub und bilden einen neuen Wellenkamm im Zyklus. Beispiele solcher Innovationstreiber: die Dampfmaschine, Eisenbahn, Petrochemie, Elektrizität, Automobil, Computer, Mobiltelefone und das Internet.

Kondratieffzyklen, ihre Basisinnovationen und wichtigsten Anwendungsfelder
Kondratieffzyklen, ihre Basisinnovationen und wichtigsten Anwendungsfelder

Die Unternehmenslandschaft wurde zweifellos durch die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert verändert. In die Phase des 1. Kondratieff fallen die Erfindung der Dampfmaschine sowie der Beginn der Massenfertigung von Stahl. Diese beiden Faktoren verhalfen in der Phase des 2. Kondratieff der Eisenbahn zur Etablierung als neues Verkehrsmittels. Die Erforschungen und Erfindungen im Rahmen der Elektrotechnik sowie der chemischen Industrie prägen die Phase des 3. Kondratieff. Die Verbreitung von Automobil, Fernseh- und Telefongeräten sind bedeutende Faktoren der Phase des 4. Kondratieff. In der Phase des 5. Kondratieff, welche sich eventuell bereits dem Ende zuneigen mag, sind vor allem die Nachfrage nach dem effizienten Umgang mit Wissen und Informationen die prägenden Faktoren. Die Verknüpfung von Computer und Telefon erschuf das Internet; ein neues Medium, welches sowohl das private Leben als auch das Arbeitsleben grundlegend veränderte. Es ist zu erwarten, dass die nächste Phase, der 6.Kondratieff, vor allem durch den gesellschaftlichen Bedarf bzw. die Nachfrage nach Gesundheit geprägt sein wird. Hierbei geht es nicht nur um die körperliche Gesundheit, sondern auch um die seelische, ökologische und soziale Gesundheit. 

Leo A. Nefiodow, ein zeitgenössischer Wirtschaftstheoretiker und Zukunftsforscher ist fest davon überzeugt, dass der nächste wirtschaftliche Innovationsschub vor allem dadurch entsteht, wie künftig die weichen Faktoren (Sozialkompetenz, Emotionale Intelligenz, Kreativität, Motivation und Verantwortungsgefühl) genutzt und eingesetzt werden. Der nächste große Fortschritt hängt nicht mehr von Hardware, Technik oder Kapital ab. Der entscheidende Faktor, welcher den nächsten Innovationsschub auslöst, wird die Art und Weise sein, wie man den Umgang mit den Mitarbeitern und der Organisation optimal gestaltet. 

Veränderungen beeinflussen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft. Kondratieff bezeichnet dies als sogenannte gesellschaftliche Reorganisationsprozesse.

Veränderungen sind immer eine Herausforderung, der Umgang mit neuen Objekten und/oder Situationen erfordert auch Veränderungen im Verhalten bzw. die Veränderung von Fähigkeiten. Innerhalb der großen Zyklen finden jedoch auch Veränderungsprozesse innerhalb der einzelnen Wirtschaftsobjekte statt, d.h. innerhalb der einzelnen Unternehmen. Die Unternehmen suchen den neuen Platz am Markt; angesichts der Anforderungen, die sich aus dem Globalisierungsanspruch ableiten, benötigen die Unternehmen heute andere Fähigkeiten, um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. 

Phasen von Veränderungsprozessen

Das heutige, sich ständig verändernde Marktumfeld fordert von den Unternehmen einen kompetenten Umgang mit dem Wandel und die Flexibilität, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Die jeweilige Organisation benötigt hierfür bewusste, geplante und sichergestellte Lernprozesse mit dem Ziel der Steigerung der Effizienz. Damit einher geht die notwendige Fähigkeit aller Organisationsmitglieder, ihr eigenes Verhalten im Unternehmenskontext immer wieder zu reflektieren bzw. auch immer wieder hinterfragen zu lassen. 

Der damit einhergehende grundlegende und gegebenenfalls auch tiefgreifende Veränderungsprozess vollzieht sich in nachfolgend beschriebenen sieben typischen Phasen:

Phasen von Veränderungsprozessen
Phasen von Veränderungsprozessen

Phase 1: Schock und Überraschung

Der Auslöser für Phase 1 ist eine Konfrontation mit ungeplanten und unerwarteten Rahmenbedingungen (z.B. Geschäftsergebnisse verschlechtern sich, Kernmärkte verändern sich, Kundenverlust). Die wahrgenommene eigene Kompetenz der Organisationsmitglieder sinkt im Verlauf von Phase 1. Die bisher gewohnten Methoden und Handlungsweisen greifen nicht mehr, die Unsicherheit nimmt zu. 

Phase 2: Verneinung und Ablehnung

Nach der ersten Schockphase tritt gewöhnlich bei dem größten Teil der Organisationsmitglieder eine Verneinung und Ablehnung der Situation ein. Man greift auf gewohnte Werte und Paradigmen zurück, welche vor allem dazu dienen sollen, sich selbst zu beruhigen und sich darin zu bestärken, dass keine Veränderung notwendig ist. Durch diese Besinnung auf Gewohntes steigt die wahrgenommene eigene Kompetenz wieder. 

Phase 3: Rationale Einsicht

Nach einem gewissen Zeitablauf verschwindet das Sicherheitsgefühl der Phase 2, die Erkenntnis wächst, dass eine Veränderung notwendig ist. Dadurch entsteht bei den Organisationsmitgliedern eine Unsicherheit in Bezug auf die nächsten Schritte. Gewöhnlich werden überstürzt Lösungen gesucht, welche meist aber nur kurzfristigen Erfolg bringen. Zu diesem Zeitpunkt werden vor allem die Symptome, nicht aber die Ursachen bekämpft. Trotz der Erkenntnis, dass eine Veränderung der bisherigen Vorgehens- und Verhaltensweisen notwendig ist, ist der Wille meist noch nicht da, diese Veränderungen auch zielgerichtet durchzuführen. 

Phase 4: Emotionale Akzeptanz

Nach der Rationalen Einsicht folgt oftmals die Krise. Die Probleme und Schwierigkeiten nehmen zu, der Druck für eine Veränderung steigt. Die 4. Phase ist die entscheidende Phase und birgt sowohl Chancen als auch Risiken: sind die Organisationsmitglieder bereit, ihre gewohnten Werte und Verhaltensweisen zu hinterfragen, kann dies dazu führen, dass unter den neuen veränderten Bedingungen oftmals ungenutzte Potentiale sichtbar werden. Besteht jedoch keine Bereitschaft, die Veränderungen zu akzeptieren, führt dies in der Regel wieder zu Ablehnung. Die wahrgenommene eigene Kompetenz befindet sich in dieser Phase auf einem Tiefpunkt, da die Organisationsmitglieder das Scheitern des bisherigen Verhaltens (Festhalten an Gewohntem) erkennen. Es entwickelt sich eine große Unsicherheit vor dem Neuen, vor den zukünftigen Anforderungen in Bezug auf Kompetenzen, Verhalten, Wissen. 

Phase 5: Ausprobieren und Lernen

Sobald die Bereitschaft zur Veränderung besteht und dies emotional von Seiten der Organisationsmitglieder akzeptiert ist, setzt gleichzeitig in der Regel auch die Bereitschaft zum Lernen ein. Die Organisationsmitglieder wollen aus der gefühlten Talsohle der eigenen wahrgenommenen Kompetenz heraus. Man stürzt sich meist mit hoher Motivation in das Lernen der neuen Anforderungen. Neue und veränderte Verhaltensweisen werden ausprobiert und geübt, führen zu Erfolgen und Rückschlägen, aber langfristig steigt die wahrgenommene eigene Kompetenz und ein Gefühl der wiedergewonnenen Sicherheit macht sich bei den Organisationsmitgliedern breit. 

Phase 6: Erkenntnis

Das kontinuierliche Lernen und Üben führt zu einer Ausweitung der Erfahrungen innerhalb der Organisation; das Bewusstsein der gesamten Organisationseinheit in Bezug auf die neue Situation erweitert sich fortlaufend. Es tritt ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit ein, gleichzeitig festigen sich die neuen Verhaltensweisen und -methoden und führen somit zu einem Anstieg in Bezug auf die wahrgenommene eigene Kompetenz. 

Phase 7: Integration

Die Schlussphase der Veränderung ist dadurch geprägt, dass sowohl die neuen Verhaltensweisen und -methoden, als auch die neuen Denkmuster völlig integriert sind. Die Organisationseinheit betrachtet die neuen Methoden als selbstverständlich und wendet sie weitestgehend unbewusst an. 

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