Was ist der Ausgangspunkt der Überlegungen zum Kaufprozess?

Zuletzt aktualisiert: 06.04.2023

Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Käufer mit Vorwissen: Wenn auch nicht vollständig informiert, so beginnt der moderne Käufer den Kaufprozess wenigstens nicht vollkommen ahnungslos. Wissen, Einstellungen und Werte sind Teil der psychischen Merkmale, die – zusammen mit demographischen Merkmalen – höchst individuell sind. 

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Art von Wissen der potentielle Käufer haben kann und wie es für die Kaufentscheidung genutzt wird. Das relevante Wissen zum Kauf und Konsum von Produkten wird Konsumentenwissen genannt und von Blackwell, Miniard und Engel (vgl. 2001, S. 259) eingeteilt in:

  • Produktbekanntheit. Wissen von Produktarten, Marken.
  • Produkteigenschaften. Wissen über physische Eigenschaften, Produktmerkmale und –preise.
  • Einkaufsquellen. Wissen über Kaufplätze, einschließlich Sonderangebote (z.B. Termine von Schlussverkäufen).
  • Produktverwendung. Wissen über Zweck, Gebrauch und Entsorgung von Produkten.

In diesem Zusammenhang soll auf Cialdini et al. verwiesen werden, die Informationsverarbeitung (und damit Kaufverhalten) beim Konsumenten auch davon abhängig machen, ob der Käufer einer individualistischen oder kollektivistischen Kultur zuzurechnen ist (siehe 1999, S. 1242ff).

Was sind Werte und wie beeinflussen sie das Verhalten einer Person?

Im Unterschied zu den bereits besprochenen Bedürfnissen existieren Werte und Wertvorstellungen einer Person unabhängig von einer spezifischen Situation und sind daher zeitlich wesentlich stabiler. Werte können daher als Leitlinien für Verhalten angesehen werden.

Die Tatsache, dass in der postindustriellen Gesellschaft ein Wertewandel stattgefunden hat, und noch stattfindet, ist unumstritten. Mit diesem Wertewandel verändern sich auch die Konsumentenziele und damit das Konsumentenverhalten. Kuss und Tomczak sehen einen Wertewandel in den folgenden Bereichen als besonders auffällig an:

Wertwandel von:Nach:
Materiell hoher LebensstandardBessere Lebensqualität
Traditionelle GeschlechterrollenAufhebung der Geschlechterrollen
Traditionelles FamilienverhaltenAlternative Lebensformen
Leben, um zu arbeitenArbeiten, um zu leben
SelbstlosigkeitGenussorientierung
Wertewandel

Was sind Emotionen und warum sind sie für das Marketing relevant?

Im Gegensatz zu Werten sind Emotionen temporäre Erregungen, die oft aus einem bestimmten Anlass auftreten und zeitlich wesentlich unstabiler als Werte sind. Emotionen werden bewusst wahrgenommen, entstehen jedoch nicht aus kognitiven Prozessen, sondern inneren Erregungen. Anlass zu Emotionen sind Stimuli, die über die Sinnesorgane zur Person dringen (z.B. Betrachtung von Bildern, Hörerlebnisse, usw.). 

Da Emotionen oft an einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Person gerichtet werden, sind Emotionen relevant für das Marketing. So können Werbenachrichten oder Produktverpackungen zu Emotionen führen, die entweder gewünscht oder zu vermeiden sind. Die verschiedenen Klassifizierungen von Emotionen, meist aus der Psychologie stammend, wurden zum Teil auch von der Konsumentenforschung übernommen. 

Charakterisierende Beschreibungen von Emotionen sind beispielsweise:

Freude:Glücklich, fröhlich, begeistert
Traurigkeit:Bedrückt, trübsinnig, schwermütig
Ärger:Feindselig, ärgerlich, ungehalten
Überraschung:Ratlos, verwirrt, erschrocken
Zustimmung:Tolerieren, vertrauen, bewundern
Charakterisierende Beschreibung von Emotione

Kröber-Riehl und Weinberg (2003, S. 113ff) nennen zwei besonders relevante Anwendungsgebiete von Emotionen für das Marketing:

  • Emotionale Kauferlebnisse. Die bewusste Gestaltung von Einkaufssituationen, beispielsweise durch Geschäftsausstattung, Atmosphäre, Hintergrundmusik, Personalverhalten, usw., hat das Ziel, bei Konsumenten Emotionen hervorzurufen, welche die Kaufneigung stärken und die Preissensibilität senken.
  • Emotionale Produktdifferenzierung durch Werbung. Produkte, die ansonsten austauschbar sind (beispielsweise Getränke, Zigaretten, usw.), sollen durch gezielte Werbebotschaften beim Konsumenten ganz bestimmte Emotionen hervorrufen, die das Kaufverhalten verstärken.

Was ist die Definition von Einstellungen in der Konsumentenforschung?

Einstellungen gelten als wichtiges Teilgebiet der Konsumentenforschung, sind daher bereits gründlich untersucht, und werden deshalb hier ebenfalls im Detail besprochen. Fishbein und Ajzen definieren Einstellung wie folgt:

„… eine erlernte Neigung, hinsichtlich eines gegebenen Objekts in einer konsistent positiven oder negativen Weise zu reagieren“ (Fishbein und Ajzen 1975, S. 6).

Diese Definition birgt einige interessante Aspekte in sich. Analysieren wir sie, so stellen wir fest, dass (gemäß der Definition):

  • Einstellung als erlernt gesehen wird. Erfahrung und interne Verarbeitung von Information können daher Einstellungen ändern.
  • „Reagieren“ bedeutet handeln. Eine Neigung, zu reagieren, zu handeln kann somit gleichgesetzt werden mit einer potentiellen Handlung. Nach Heckhausen ist Einstellung einer der personenbezogenen Faktoren innerhalb der Person * Situation – Interaktion, die der eigentlichen Handlung vorausgeht.
  • Konsistent reagieren bedeutet, dass Reaktionen konsistent in gleichartigen Situationen erfolgen. Kuss und Tomczak weisen darauf hin, dass Konsistenz in diesem Zusammenhang auch unterschiedliche Verhaltensweisen bedeuten kann, solange diese miteinander verträglich sind. Beispiel: Immer derjenigen Partei die Stimme geben, die weibliche Kandidaten aufstellt.

(nach Kuss und Tomczak 2004, S. 44).

Dem bisher Gesagten folgend, lassen sich aus dem Konzept Einstellung drei Komponenten isolieren: 

  1. Eine kognitive Komponente, die zur Beurteilung eines Objektes (auf die sich die Einstellung bezieht) dient
  2. Eine affektive Komponente, die zur subjektiven Bewertung des Objektes dient
  3. Eine Verhaltenskomponente, die auf das Handeln vorbereitet.

Im Zusammenhang mit dem Käuferverhalten heißt das, dass der Konsument Wissen über das Produkt sammelt und es in ein Verhältnis zu seinen Werten bringt (z.B. Dieses Produkt bedeutet für mich Sicherheit; Sicherheit ist für mich wichtig).

Nun ist es aber durchaus möglich, dass trotz einer für das Kaufverhalten positiven Einstellung die erwartete Konsumentenreaktion ausbleibt. Mögliche Gründe für solche Störvariablen können sein:

  • Situationsspezifische Faktoren. Durch eine ganz bestimmte Situation kann Handeln beeinflusst werden, sodass konträr zur Einstellung gekauft wird (z.B. bei der Wahrnehmung von Sonderangeboten).
  • Mehrere gleichartige Produkte werden positiv beurteilt. Der Käufer entscheidet sich für ein Produkt, d.h. Produkte, die ebenfalls positiv beurteilt wurden, werden nicht gekauft.
  • Wirtschaftliche Beschränkungen. Der Käufer kann es sich finanziell nicht leisten (Kaufpreis oder Folgekosten), ein präferiertes Produkt zu erwerben.
  • Soziale Faktoren. Eine sozial oder gesellschaftlich nicht akzeptierte Wahl hält den Käufer davon ab, ein präferiertes Produkt zu erwerben. Beispiele: Ein Mann möchte gerne eine Fliege statt einer Krawatte, befürchtet aber, belächelt zu werden. Jemand wünscht nicht in einem Fast-Food Restaurant gesehen zu werden.

Neben den oben aufgeführten Störfaktoren spielt auch die Ausprägungsstärke der Einstellung eine Rolle, um einen etwaigen schwachen Zusammenhang zwischen Einstellung und erwartetem Kaufverhalten zu erklären. Zur Ausprägungsstärke sind drei wichtige Punkte hervorzuheben:

  1. Wie wichtig ist das Produkt für den Konsumenten? Wird das Produkt als unwichtig eingestuft, so wird möglicherweise die kognitive Anstrengung, die zur Bildung und Speicherung einer Einstellung notwendig ist, erst gar nicht oder nicht oder nicht ausreichend unternommen (siehe auch das allgemeine Prinzip von Gedächtnisleistungen, bspw. bei Gleitman, 1995). 
  2. Wie fundiert ist die Einstellung? Beruht sie auf eigener Erfahrung oder selbst erarbeitetem Wissen so hat sie mehr Einfluss auf das Konsumentenverhalten.
  3. Wie spezifisch ist die Einstellung? Je konkreter die Einstellung für ein bestimmtes Produkt gemessen werden kann, umso größer ist ihre diesbezügliche Aussagekraft. Beispiel: Wird die Einstellung nicht nur zu Allradfahrzeugen allgemein, sondern speziell für die Marke Nissan gemessen, so kann dieses Messergebnis entsprechendes Kaufverhalten zu einem größeren Anteil erklären.

Die einfache eindimensionale Messung der Aussagekraft summiert die einzelnen Eindruckswerte, die auf den Eigenschaften eines Produktes beruhen. Ganz allgemein kann ein Produkt als die Summe von Eigenschaften gesehen werden, welche dem Konsumenten angeboten werden. Die verschiedenen Eigenschaften sind für individuelle Konsumenten mehr oder weniger relevant, und werden dadurch unterschiedlich bewertet. Eigenschaften können in physische (z.B. Farbe) und abstrakte (z.B. Vermittlung eines Sicherheitsgefühls) eingeteilt werden.

Die Einstellung E eines Konsumenten gegenüber einem spezifischen Produkt kann formal wie folgt dargestellt werden (siehe Kröber-Riel & Weinberg, 2003, S. 201):

Der Ausdruck repräsentiert den Eindruckswert, wobei gilt:  

[E=sum_{i=1}^nW_itimes B_i]

Wi: Wahrscheinlichkeit, mit der der Konsument die Eigenschaft i beim Produkt für gegeben hält.
Bi: Bewertung der Eigenschaft i durch den Konsumenten.

Die Produktbildung von Wahrscheinlichkeit und Bewertung bedeutet, dass mittlere Werte für das Ergebnis besser sind als extreme Werte. 

Beispiel: 

  1. Standardmäßige Extraausstattung bei einer bestimmten Automarke wird mit hoher Wahrscheinlichkeit (0,9) angenommen; der Konsument hält diese Extras jedoch für wenig wichtig (0,1). Eindruckswert: 0,9 ⋅ 0,1 = 0,09.
  2. Standardmäßige Extraausstattung bei einer bestimmten Automarke wird mit mittlerer Wahrscheinlichkeit (0,5) angenommen; der Konsument hält diese Extras für mittelmäßig wichtig (0,5). Eindruckswert: 0,5 ⋅ 0,5 = 0,25.

Für 2) ergibt sich ein fast dreifach höherer Eindruckswert als für 1). Um eine zufriedenstellende Einstellung beim Konsumenten zu erreichen, ist daher zu beachten, dass bei keiner der relevanten Eigenschaften niedrige Merkmalsausprägungen gemessen werden.

Eindimensionale Betrachtungsweisen sind jedoch nicht ausreichend, wenn – wie in der Praxis oft der Fall – Störvariablen auftreten. Im sogenannten erweiterten Fishbein-Modell werden solche Störvariablen berücksichtigt.

Zudem kommt es im Marketing nicht so sehr auf Produkteigenschaften selbst, sondern vielmehr auf die Konsequenzen, die solche Eigenschaften in der Wahrnehmung der Konsumenten haben, an. Konsequenzen können sich auf den Zweck beziehen, den ein Produkt erfüllen soll (funktionale Konsequenzen, z.B. Allradantrieb) oder auf Auswirkungen im psychosozialen Bereich. Verschiedene Konsumenten bewerten Konsequenzen unterschiedlich, was sich schließlich auf die Einstellung auswirkt.

Erweitertes Fishbein-Modell zum Käuferverhalten
Erweitertes Fishbein-Modell zum Käuferverhalten

In diesem Modell wird die Einstellung Ev zu einem bestimmten Verhalten in einer bestimmten Situation wie folgt gemessen:  

[E_V=sum_{j=1}^mK_jtimes B_j]

Kj: Einschätzung, inwieweit mit dem Verhalten die Konsequenz j verbunden ist.
Bj: Bewertung der Konsequenz j.

Der Wert der Einstellung Ev wird  in der Berechnung der Verhaltensabsicht (Kaufabsicht) VA verwendet. Inwieweit die Verhaltensabsicht mit dem tatsächlichen Verhalten übereinstimmt, bzw. wie es dazu kommt, kann durch Heckhausens Rubikon-Modell erklärt werden.

Die formale Darstellung nach obiger Abbildung:

NEi: Soziale Bedürfnisse und Normen, die in einer Gesellschaft i entstehen bzw. herrschen

[VA=E_Vtimesbeta_0+left(sum_{i=1}^mleft(NE_iright)timesleft(MA_iright)right)timesbeta_1]

MAi: Motivation eines Konsumenten, die sozialen Bedürfnisse und Normen der Gesellschaft i tatsächlich zu akzeptierten

ß0, ß1: Gewichtungskoeffizienten.

Diesem Modell liegen folgende Annahmen zugrunde:

  • Die Verhaltensabsicht ist situationsspezifisch
  • Der Zeitabstand zwischen den Messungen der Verhaltensabsicht und dem tatsächlichen Verhalten ist verhältnismäßig kurz
  • Einstellungen zu Produkten werden nicht von anderen eventuell anstehenden Kaufabsichten des Konsumenten beeinflusst und können daher als Bedingungen des Käuferverhaltens betrachtet werden.

    👉 Dir gefällt dieser Beitrag?
    Success! Thanks for Your Request.
    Error! Please Try Again.