Was sind qualitative Ansätze im Marketing?

Zuletzt aktualisiert: 06.04.2023

Buber und Holzmüller vertreten die Ansicht, dass besonders in der deutschsprachigen Literatur das Potenzial qualitativer Methodologie nicht ausgeschöpft wird, während in der englischsprachigen Literatur eine deutlichere Hinwendung zur qualitativen Forschungsmethodologie festzustellen ist. Dieser Abschnitt soll daher dazu dienen, Ansätze aufzuzeigen, wie Marketing von einer Öffnung gegenüber der qualitativen Forschung profitieren kann.

Die qualitative Marktforschung bietet Wege, um Fakten und Prozesse zu erschließen, die der quantitativen Forschung nicht oder schwer zugänglich sind. Grundsätzlich sind qualitative Methoden geeignet, wenn Forschungsfelder wenig bekannt sind. Hier tut sich die quantitative Forschung schwer, da beispielsweise Ausprägungen auf Skalen (für Fragebogen, usw.) bereits im Vorhinein festgelegt werden müssen. Für unbekannte Gebiete relevante mögliche Ausprägungen zu finden, ist jedoch mit vielen Gefahren besetzt.

Generell sind Bereiche wie kulturell bedingte Einstellungen und Verhaltensweisen, private Gedanken und un- bzw. vorbewusste Faktoren sehr gut für die qualitative Methodologie geeignet. Dazu gehören auch für die Marktforschung zentrale Fragen wie z.B. Konsumenten-Märkte kognitiv definieren und abgrenzen (kann eine Tankstelle als Lebensmittelgeschäft wahrgenommen werden?).

Im Unterschied zur quantitativen Forschung, die in der Regel nach generalisierbaren Ergebnissen sucht, setzt die qualitative Forschung auf individuelle und systemische Beobachtungsschwerpunkte.

Schließlich kann qualitative und quantitative Forschung ausgezeichnet zusammen durchgeführt werden, und zwar in Situationen, die

  1. qualitative Vorarbeit benötigen, um Kategorien für Gegenstandsbereiche zu erarbeiten, die anschließend in quantitativen Verfahren eingesetzt werden, und
  2. qualitative Nacharbeit benötigt, wenn quantitative Verfahren unerwartete oder scheinbar widersprüchliche Ergebnisse liefern (beispielsweise aus Unkenntnis von auftretenden Störvariablen).

Wie ist die Akzeptanz qualitativer Methoden im Marketing?

Im Jahr 2006 wurden deutsche und österreichische Marketingexperten zu einer Online-Befragung eingeladen, um ihre Meinung zur qualitativen Forschung zu überprüfen (n=645; Rücklaufquote 14,3% = 92). Die Ergebnisse sind in Buber und Klein (2007, S. 49ff) dargestellt, daraus eine Auswahl:

  • Als sehr wichtige Instrumente und Methoden wurden genannt (in Reihung der Wichtigkeit): Focus Groups, Gruppendiskussion, Experteninterview, Tiefeninterview, Explorationstechniken.
  • Zur Frage, ob der Einsatz qualitativer Forschungsarbeiten beim Kunden schwieriger zu begründen ist:
    • Mangels Erfahrung und Interesse an Methodik beim Kunden ist eine verstärkte Begründung notwendig
    • Bekannte Vorzüge der quantitativen Forschung erschweren die Begründung für qualitative Forschung
    • Erschwerend wirken außerdem Subjektivität und mangelnde Wiederholbarkeit qualitativer Studien
    • Qualitative Forschung ist begründungsintensiver, da teurer
    • Kundenerfahrungen mit qualitativen Methoden beeinflussen die Notwendigkeit von Begründungen
    • Wenn beim Kunden mit Lösungen anstatt mit Methoden argumentiert wird, sinkt die Notwendigkeit von Begründungen.
  • Zur Frage, ob die Vielfalt der Marktforschungsmethoden in den letzten zehn Jahren stark zugenommen habe, stimmten 35% zu, 55% bedingt und 10% nicht. Genannte Begründungen zur jeweiligen Antwort beinhalteten die zunehmende Komplexität der gestellten Aufgaben, die einen nachhaltigen Einfluss auf die verwendeten Methoden ausüben; dazu gehören mehrstufige Designs und multiple Methoden.

Was sind ethnomethodologische Methoden und welches Thema damit untersucht?

Ethnomethodologische Methoden werden verwendet, um festzustellen, wie Alltagsrealität durch praktische Handlungen (im Alltag) hergestellt wird. Dabei wird bewusst weitgehend auf den Einsatz von Theorien verzichtet. 

Thema der Ethnomethodologie sind Praktiken, die in der herkömmlichen Sozialforschung unreflektiert Verwendung finden. Diese oft unbewusst vollzogenen Praktiken gehören zu lebensweltlichen Selbstverständlichkeiten, an denen – obwohl nicht immer explizit formuliert – sich Akteure orientieren.

Garfinkel machte Alltagsroutinen sichtbar, indem er seine Studierenden ungewohnte Rollen annehmen ließ, beispielsweise in Supermärkten um Preise zu feilschen. Diese absichtliche Herbeiführung von Störungen in Alltagsroutinen wurde ergänzt durch eine Beobachtung von Störungsfrieden, die im Alltag vorgefunden wurden (siehe Garfinkel, 1967, S. 37ff, zitiert in Eberle, 2007, S. 99).

Die Ethnomethodologie untersucht die Besonderheit des Einzelfalles. Jede Bezeichnung eines sozialen Phänomens wird zunächst als Umschreibung angesehen, für die es gilt, die Praktiken festzustellen, die dieses soziale Phänomen ins Leben rufen. Eberle beschreibt, wie der Unterschied zwischen Mann und Frau durch Analyse jedes kleinsten Details bezüglich des Geschlechterverhaltens herausgestellt werden kann. Traditionell eingeübte Praktiken fokussieren sich dagegen auf Rollenverhalten (Kleider, Schmuck, usw.), um das Phänomen Geschlechterunterschied zu erkennen (Eberle, 2007, S. 100f).

Zentrale Annahmen der Ethnomethodologie sind:

  • Die gesellschaftliche Wirklichkeit wird als Wirklichkeit von Prozessen betrachtet. Was sich als objektiver Sachverhalt darstellt, wird tatsächlich durch eine Abfolge von sozialen Prozessen realisiert. Die Bezeichnungen solcher Sachverhalte (z.B. Frau, Auseinandersetzung, Kauf) sind lediglich Umschreibungen und verschleiern die Prozesse, die den Sachverhalt ins Leben gerufen haben. Diese Beschreibungen werden daher grundsätzlich skeptisch und als erklärungsbedürftig betrachtet.
  • Demnach ist die gesellschaftliche Wirklichkeit beobachtbar, weil sie von ihren Mitgliedern methodisch durch Handlungen erzeugt wird (also die Wirklichkeit erst konstituieren). Der Sinn dieser Handlungen lässt sich durch deren Beobachtung und Verwendung von Ethnomethoden aufzeigen, also erkenn- und verstehbar machen.
  • Die Wirklichkeitskonstituierung ist nie abgeschlossen, solange die soziale Wirklichkeit Handlungen hervorbringt. Sie ist daher immer nur temporär und äußerst labil: durch Störungen kann die soziale Wirklichkeit jederzeit zusammenbrechen, bzw. ihren Charakter verändern.
  • Die soziale Wirklichkeit wird stets lokal und sequenziell produziert. Jedes Element eines Handlungsverlaufs kann nur im Kontext der vorangehenden und folgenden Elemente verstanden werden. Die Versuche, Elemente isoliert zu betrachten, müssen scheitern.  
  • Soziale Wirklichkeit hat daher etwas Einmaliges und Besonderes, und genau dies ist der Fokus der Ethnomethodologie. Da jedes Detail peinlich genau beobachtet wird (z.B. jede Sprechpause, Körperbewegung, usw.), kommen zur Datenerhebung nur Audio- und Videoaufzeichnungen in Frage, die immer wieder betrachtet werden können.

Ethnographische Methoden werden sinnvoll in der Marktforschung eingesetzt, Eberle nennt Studien von Nokia (zum Handygebrauch von Jugendlichen) und von einem Fast-Food-Restaurant.

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