Weshalb ist der Unternehmenswandel ein kontinuierlicher Prozess?

Zuletzt aktualisiert: 15.02.2024

Die strukturelle Komplexität der Unternehmen stellt die Unternehmensführung in Bezug auf Veränderungen regelmäßig vor schwierige Aufgaben. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgaben und die erfolgreiche Umsetzung der Veränderungsprozesse sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Zukunft des Unternehmens. Erfolgreich umgesetzte Veränderungen bilden die Grundlage für einen Fortbestand des Unternehmens mit Chancen auf Wachstum; fehlgeschlagene Veränderungsprozesse können im Extremfall zur Auflösung des Unternehmens führen. 

Aufgrund der Marktdynamik und dem immer schnelleren Wandel des Marktumfeldes sind alle Unternehmen, unabhängig von Branche und Größe, einem ständigen Wandel- und Veränderungsprozess unterworfen. Eine Vielzahl an strukturellen Veränderungen bleiben unbemerkt, sie sind weder geplant herbeigeführt noch beabsichtigt, sondern entwickeln sich oft evolutionär, selbständig und automatisch. Demgegenüber steht der beabsichtigte und geplante Wandel, welcher seitens der Organisationsmitglieder entweder auf ein passiv-abwartendes Verhalten oder ein reaktiv-handelndes Verhalten stößt. Der geplante organisatorische Wandel beinhaltet alle „absichtlichen und gesteuerten, kontrollierten und organisatorischen Anstrengungen zur zielgerichteten Organisationsgestaltung mit dem Ziel der Effektivitäts- und Effizienzsteigerung“. 

Die Veränderung im Unternehmen, unabhängig davon, ob geplant oder ungeplant, kann unterschiedliche Ausmaße annehmen. Man spricht zum einen von einem Wandel erster Ordnung, zum anderen von einem Wandel zweiter Ordnung. 

Unternehmenswandel 1. und 2. Ordnung
Unternehmenswandel 1. und 2. Ordnung

Was ist der Unternehmenswandel 1. Ordnung?

Unter dem Wandel erster Ordnung, auch gradual change genannt, versteht man „eine inkrementale Modifikation der Arbeitsweise einer Organisation ohne Veränderung des vorherrschenden Bezugsrahmens oder des dominanten Interpretationsschemas“.

Es erfolgen keine grundlegenden Veränderungen im Rahmen der strategischen Ausrichtung oder der Werte und Verhaltensnormen des Unternehmens. Auch bleiben die Prozesse und Strukturen in ihrer übergeordneten Gesamtheit (Makro) unverändert. Beim Unternehmenswandel erster Ordnung handelt es sich vielmehr um Mikro-Anpassungen, sogenannte evolutionäre Anpassungen im Rahmen der Unternehmensentwicklung. Sie beschränken sich meist auf einzelne Bereiche oder Einheiten innerhalb der Gesamtorganisation. Die Veränderungen sind oftmals logische Konsequenzen, erscheinen daher normal und selbstverständlich und werden ohne Ablehnung seitens der Organisationsmitglieder übernommen. Die Intensität und Komplexität der Veränderung ist sehr niedrig. 

Was ist der Unternehmenswandel 2. Ordnung?

Im Gegensatz zum Wandel erster Ordnung bedeutet der Wandel zweiter Ordnung, auch radical change genannt, „eine einschneidende, paradigmatische Veränderung der Arbeitsweise einer Organisation insgesamt und zwar mit einer Änderung des Bezugsrahmens“.

Der Wandel zweiter Ordnung betrifft die gesamte Organisation und hat Einfluss auf alle Ebenen und Bereiche. Es finden grundlegende und komplexe Veränderungen statt, welche Verhalten, Werte und Normen des Unternehmens beeinflussen. 

Oftmals erscheint der Wandel für die Mitglieder der Organisation nicht begreifbar oder sogar irrational, was in erster Konsequenz zu einer grundlegenden Ablehnung führt (vgl. Phasen der Veränderungen, Kapitel 1.3.). Gewohnte Verhaltensweisen und -methoden werden aufgerüttelt, das Vertrauen in die eigene Kompetenz sinkt, die Angst vor der Zukunft steigt. 

Welche Ebenen der Veränderung in einer Organisation gibt es?

Die Art der Veränderung in der Organisation richtet sich nach dem Bedarf und Ausmaß der notwendigen Veränderung. Je unterschiedlicher die Anforderungen nach einer Veränderung sind (z.B. getrieben durch Entwicklungen des Marktes, Kundenanforderungen), desto flexibler muss die Organisation darauf reagieren. Kein Veränderungsprozess läuft nach dem gleichen Schema ab: jeder organisatorische Wandel hat seinen eigenen individuellen zeitlichen Verlauf und inhaltliche Schwerpunkte. 

Trotz der Individualität und Unterschiede in Veränderungsprozessen gibt es drei grundlegende Gemeinsamkeiten. Die Veränderungen im Rahmen des organisatorischen Wandels lassen sich immer in mindestens eine der drei nachfolgend genannten Ebenen einordnen: 

Die drei Ebenen der Veränderung
Die drei Ebenen der Veränderung

Die erste Zuordnung umfasst die Veränderungen im Rahmen der Aufbauorganisation: hierbei ist die Organisationsstruktur in ihrem hierarchischen Aufbau betroffen. Es können zum Beispiel neue Organisationseinheiten entstehen, vorhandene Einheiten können zusammengeführt werden, die hierarchische und verantwortliche Zuordnung von Abteilungen und Bereichen können sich verändern. 

Die nächste Stufe der Veränderungen betrifft die Ablauforganisation: Prozesse und Abläufe der Organisation werden erneuert, angepasst oder ergänzt, meist unter der Zielsetzung der Effizienzsteigerung oder Automatisierung. Es können den Organisationseinheiten beispielsweise auch neue Aufgaben zugeordnet werden. 

Da die Ablauforganisation eng mit der Aufbauorganisation verbunden ist, wirken sich Veränderungen in der Regel auf beide genannten Ebenen aus: Veränderungen im Aufbau haben immer Konsequenzen für die Abläufe; Veränderungen in den Abläufen haben meist auch Auswirkungen auf den Aufbau. 

Da sich Wandel und Veränderung aber nicht nur auf Strukturen und Prozesse beschränken, gibt es noch eine dritte Ebene der Veränderung: diese betrifft das soziale Gefüge der Mitarbeiter, deren Arbeitsverhalten und die organisatorischen Rahmenbedingungen bezogen auf die Mitarbeiter. Zu dieser Ebene zählen beispielsweise das Führungsverhalten, Führungsinstrument sowie Vereinbarungen zu Arbeitszeit und Vergütung. 

Die Veränderungen laufen oftmals parallel auf mehreren Ebenen mit unterschiedlicher Komplexität und Intensität ab. Es gibt somit immer Herausforderungen, in denen man Schwerpunkte setzt. 

Beispiel für die Auswirkung von Veränderungen auf unterschiedliche Ebenen: 

Die Implementierung eines neuen Personalbeurteilungssystems im Unternehmen betrifft grundsätzlich alle Mitarbeiter, unabhängig von Hierarchie und Bereichszuordnung. Die Veränderung wirkt sich vorrangig auf der dritten Ebene des sozialen Gefüges aus: es wird eine neue Form der Kommunikation, das Feedback, strukturiert über alle Ebenen aufgebaut. Die Auf- und Ablauforganisation bleibt unberührt.

Die Umstellung eins Fertigungsbereiches auf Teamwork statt Einzelarbeit hat dahingegen Auswirkungen auf alle drei Ebenen: zum einen ist die Aufbauorganisation betroffen, die einzelnen Stellen müssen organisatorisch den Teams entsprechend gruppiert werden. Des Weiteren ist die Ablauforganisation betroffen: die Prozesse müssen an den neuen Aufbau und die neue Zielsetzung angepasst werden. Als drittes ist auch das soziale Gefüge und Arbeitsverhalten von der Umstellung betroffen: beispielsweise muss das Führungsverhalten der neuen Form der Zusammenarbeit entsprechen, Arbeitszeit und Vergütung müssen ggfs. angepasst werden. 

Was ist die Ausprägung der Veränderung im Rahmen des organisatorischen Wandels?

Bei der Betrachtung der Veränderungen im Rahmen des organisatorischen Wandels sind nicht nur das Ausmaß und die entsprechende Auswirkung auf die Organisation (3 Ebenen) relevant. Es ist gleichermaßen von Bedeutung, zu verstehen, welche Ausprägung die Veränderung hat. Diese Ausprägung kann fachlicher oder überfachlicher Natur sein.

Worum geht es bei der fachlichen Veränderung?

Die fachliche Ausprägung einer Veränderung ist an einen klar vorgegebenen Ablauf gebunden, welcher die Ausführung des Veränderungsprojekts maßgeblich beeinflusst. 

In der Regel wird das entsprechende Veränderungsprojekt in Ausmaß und Umfang sowie Handlungsfeld definiert. Nach der Definition des Projektes wird ein Team zusammengestellt, welches sich bestmöglich hierarchieübergreifend aus Führungskräften, wichtigen Personen aus dem Handlungsfeld (Entscheider, Meinungsbilder) und Fachleuten in Bezug auf Veränderungsprozesse zusammensetzt. Dieses ernannte Team hat die fachliche Aufgabe, den Veränderungsprozess über die entsprechend notwendigen Ebenen hinweg voranzutreiben. Die Aufgaben dieses Teams umfassen die Detailplanung der Veränderung (was muss wo, wann, zu welchen Kosten verändert werden) sowie die nachfolgende Ausführung und Begleitung der geplanten Maßnahmen und die anschließende Erfolgskontrolle. 

Die Vorgehensweise im Rahmen der fachlichen Veränderung folgt einem klar strukturierten Phasenplan: siehe nachfolgende Abbildung.

Verlauf fachliche Veränderung
Verlauf fachliche Veränderung

Worum geht es bei der überfachlichen Seite der Veränderung?

Die überfachliche Seite der Veränderung baut auf der fachlichen Veränderung auf und befasst sich mit den individuellen Reaktionen, welche durch die fachliche Veränderung bei den Mitgliedern der Organisationseinheit entstehen. Es geht dabei vor allem um weiche Faktoren, welche aber maßgeblich den Erfolg der Veränderungen beeinflussen. Dies können beispielsweise sein: 

  • Die fachlichen Inhalte der bevorstehenden Veränderung werden akzeptiert
  • Es tritt eine Überzeugung von der Notwendigkeit und Richtigkeit der bevorstehenden Veränderung ein
  • Die Bereitschaft entsteht und wird kommuniziert, die Veränderung mitzutragen 
  • Die Bereitschaft entsteht, die Veränderung aktiv mitzugestalten

Aus diesen Beispielen lässt sich erkennen, dass sich die überfachliche Seite der Veränderung vor allem mit den einzelnen Individuen und deren Stimmung, Bedürfnissen und Ängsten auseinandersetzt. Analytische und rationale Prozesse führen an diesem Punkt nicht weiter, vielmehr geht es um die Schaffung von Verständnis und Akzeptanz unter Berücksichtigung der individuellen Einwände und die gemeinschaftliche Entwicklung von Lösungsansätzen. Diese Lösungsansätze werden, soweit notwendig, in den fachlichen Bereich der Veränderung mit aufgenommen. 

In Veränderungszeiten ist die Stimmungslage unter den Mitgliedern einer Organisation selten konstant, sondern vielmehr Schwankungen unterworfen. Nicht alle Mitarbeiter reagieren gleich, jeder entwickelt seine eigene individuelle Haltung gegenüber den Veränderungen und beeinflusst damit die Gesamtstimmung. Um den Erfolg eines Veränderungsprojektes zu sichern, muss darauf geachtet werden, dass diese unterschiedlichen Stimmungslagen aufgegriffen werden und entsprechend darauf eingegangen  bzw. entsprechend gehandelt wird. 

Verlauf überfachliche Veränderung
Verlauf überfachliche Veränderung

Viele Veränderungsprojekte scheitern bzw. verlieren an Wirkung, da man sich zu wenig mit der überfachlichen Seite auseinandersetzt. Die Mitglieder der Organisation werden entweder nicht frühzeitig informiert oder ihre Reaktionen und Meinungen nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund sind vor allem die betroffenen Führungskräfte und die Verantwortlichen der Veränderungsprojekte aufgefordert, die überfachliche Seite der Veränderung mit gleicher Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu begleiten, wie die fachliche Seite.

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