Mitarbeitergespräch als Führungsinstrument

Zuletzt aktualisiert: 06.04.2023

Was ist eine Zielvereinbarung?

Die Verantwortung für die Führung des Mitarbeitergesprächs (MAG) liegt dabei aber nicht nur beim Vorgesetzten, sondern auch bei jedem einzelnen Mitarbeiter selbst, der die Durchführung dieses MAG möglicherweise nicht entsprechend bei seinem Vorgesetzten eingefordert hat. Albert Ernst stellt ein deutliches Defizit in der Überprüfung der Umsetzung und Wirkung von MAG sowohl in Organisationen der Wirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung fest. Die Möglichkeiten und Chancen, die dieses Instrument bietet, werden somit nur begrenzt, wenn überhaupt genutzt. Welche Chancen entgehen aber diesen Mitarbeitern?

Das MAG und die Teamarbeitsbesprechung (TAB) bieten die Möglichkeit, ohne störende Einflussfaktoren und mit Abstand vom Tagesgeschehen, die Aufgabenerfüllung und die Qualität der Zusammenarbeit des vergangenen Jahres zu reflektieren. 

Das direkte, vertrauliche Gespräch zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem bildet die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, einen offenen Umgang miteinander und für eine klare Zielorientierung bei der Aufgabenerledigung.

Auf den Ergebnissen dieses Gesprächs aufbauend, werden künftige Arbeitsschwerpunkte, Zielvereinbarungen sowie Maßnahmen zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung für das Folgejahr festgelegt. Bei der Vereinbarung von Zielen ist vor allem die 

  • konkrete,
  • verständliche,
  • messbare,
  • herausfordernde,
  • realistisch erreichbare und 
  • terminisierte

Formulierung der Aufgaben und Arbeitsziele ein entscheidendes Kriterium. 

Bei Bedarf können (sinnvollerweise werden auch) im Laufe der vereinbarten Arbeitsperiode „Standortgespräche“ zur Begleitung der Zielerreichung durch den Vorgesetzten geführt. Dabei werden die getroffenen Zielvereinbarungen erforderlichenfalls abgeändert, neu formuliert, durch andere Ziele ersetzt und/oder die Zielvereinbarung wird gestrichen.

Die Ergebnisse des MAG sollen sich auch auf die individuelle Karriereplanung auswirken. Diese Karriereplanung wiederum ist darüber hinaus ein zentrales Instrument der PE im Bereich der Förderung.

Für alle Gesprächspartner bietet sich dabei die wertvolle Gelegenheit, von den Mitarbeitern Feedback über das eigene (Führungs-) Verhalten zu bekommen und die Chance, Motive und Einstellungen der Gesprächspartner sowie deren subjektive Sichtweisen über das Arbeitsklima kennenzulernen bzw. zu erfahren und erforderlichenfalls darauf zu reagieren.

Das MAG und die TAB sollen auch die verstärkte Identifikation der Mitarbeiter mit den Aufgaben der Organisation im Gesamten, respektive der jeweiligen Organisationseinheit, fördern. 

In diesem Zusammenhang wird die Funktion des MAG im Rahmen der Organisationsentwicklung (OE) deutlich. 

Weinert versteht unter OE einen geplanten und langfristigen organisatorischen Wandel mit dem Ziel, die Selbstverwirklichung, die Autonomie und das Commitment der Organisationsmitglieder zu verbessern. Zudem sollen die Lernfähigkeit der Organisation, ihre Flexibilität und ihre Innovationsbereitschaft verbessert werden. 

Albert Ernst nennt in Anlehnung an Lawler zwei wesentliche übergeordnete Ziele der OE: Den Erhalt (nicht nur im Sinne von einem „Überleben“ der Organisation, sondern den Bestand als gesunde und entwicklungsfähige Organisation) und vor allem ihre Leistungsfähigkeit. Einen wichtigen Stellenwert in einer gesunden und entwicklungsfähigen Organisation nimmt der Begriff „Vertrauen“ ein.

Ist Vertrauen im Mitarbeitergespräch wichtig?

Ein zentraler Erfolgsfaktor für das Gelingen einer Beziehung, einer guten Zusammenarbeit, für ein produktives MAG und eine TAB ist Vertrauen. 

In der Literatur finden sich viele Erklärungsversuche für den Begriff Vertrauen. 

Ein Erklärungsversuch von Johnson und Matross aus dem Jahre 1977 ist speziell im Hinblick auf das MAG zutreffend: „Vertrauen zeigt sich in der Bereitschaft, über Themen zu sprechen, die potentiell Abwertung und Zurückweisung hervorrufen können, für den Klienten also ein Risiko darstellen“ (Holzinger, 2004, S. 13). 

Der hier als Klient bezeichnete, kann im Falle des MAGs sowohl der Vorgesetzte als auch der Mitarbeiter sein, wobei die Inhalte eines MAGs oder einer TAB gerade in einer Phase der Veränderung meist nicht nur positiver Natur sind.

Den Nutzen von Vertrauen für die Organisationseinheit der Mitarbeiter fasst Kramer in vier Bereiche zusammen:

  • Vertrauen als Grundlage für Selbststeuerung und Partizipation
  • zur Senkung der Transaktionskosten
  • zur Vermittlung spontaner Soziabilität
  • zur freiwilligen Anerkennung von Autorität

Vertrauen ist dann umso wichtiger, wenn es um die Akzeptanz unerwünschter, belastender Ereignisse geht, daher kommt diesem „sozialen Kapital“ des Vertrauens bei den Mitarbeitern ein besonderer Stellenwert zu. 

Ist also Vertrauen in einer Organisationseinheit vorhanden, reduziert sich in der Regel die Häufigkeit und die Intensität von destruktiven Verhaltensweisen der Mitarbeiter. Die Problemlösungskapazität und die Kooperationsbereitschaft in der Organisationseinheit werden gefördert. 

Vertrauen ist aber auch in der OE der Grundstein, auf den gebaut werden kann.

Abfolge & Zusammenhänge von Zielen einer Organisationseinheit zum Erhalt der 
Organisation
Abfolge & Zusammenhänge von Zielen einer Organisationseinheit zum Erhalt der
Organisation

Vertrauen in das Verhalten anderer ist eine unverzichtbare Grundlage jeder Kooperation in und zwischen Organisationen. 

Kramer bezeichnet es als eine Form des „sozialen Kapitals“. Es ist neben dem Sachkapital und dem Humankapital ein unverzichtbares Element für das Funktionieren von Organisationen. Der Bereich Vertrauen ist ein fragiles Element, das viel leichter zu zerstören, als aufzubauen ist.

Slanic fasst in Anlehnung an Bennis fünf Vertrauensfaktoren mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen:

  • Kompetenz (Fähigkeit, Fertigkeit)
  • Konstanz (wiederholtes und langfristiges Zeigen des gleichen Vertrauen erwecken- 
  • den Verhaltens) 
  • Fürsorge (Mitgefühl, Empathie, aktives Einsetzen für den anderen) 
  • Aufrichtigkeit (Ehrliches offenes Auftreten, Kritikfähigkeit einschließlich der damit verbundenen Verhaltensweisen, „in die Augen sehen“, „Klartext reden“, „ein offenes Ohr haben“) 
  • Kongruenz (Authentizität, mit sich selbst im Einklang sein) 

Ein ehrliches, offenes Auftreten verbunden mit Kritikfähigkeit (einschließlich der damit verbundenen Verhaltensweisen) schafft das größte Vertrauen in einer Beziehung und in einer Organisationseinheit.

Slanic schließt in diesem Bereich noch eine empirisch bestätigte Aussage von Bennis an: „Candor (Aufrichtigkeit) is perhaps the most important component of trust. When we are truthful about our shortcumings or acknowledge that we do not have all the answers, we earn the understanding and respect of others”.

Welche folgenden Thesen für die Vertrauensbildung und eine menschenorientierte Führung gibt es?

  • Selbsterkenntnis führt zu Menschenkenntnis und diese bildet die Basis für eine menschenorientierte Führung.
  • Verstehen oder Einverstanden-Sein; wir sollten uns bemühen, unsere Mitarbeiter auch dann zu verstehen, wenn wir mit ihnen einmal nicht einverstanden sind.
  • Entscheidende Faktorenanalyse; die ein Ergebnis bestimmenden Faktoren sind oft wichtiger als das Ergebnis selbst.
  • Eignung und Neigung; wo diese gleichermaßen zum Tragen kommen, gesellt sich zum Erfolg auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter.
  • Loyalität (auch von oben nach unten)
  • Ohne Fehler keine Initiative (Wo keine Fehler toleriert werden, darf man auch keine Initiative erwarten, daher kommt der Kultur im Umgang mit Fehlern in einer Organisation ein wichtiger Stellenwert zu).
  • Lob und Tadel – das ist eine menschenorientierte Prioritätenfolge.
  • Empfängerorientierte Information; was will und was muss mein Mitarbeiter wissen?
  • Ohne Vertrauen ist alles nichts, da die wichtigste Voraussetzung für eine menschenorientierte Führung das vorhandene Vertrauen ist.

Es lässt sich der Begriff des Mitarbeiters auch um den Begriff des Vorgesetzten ergänzen. In der Regel befinden sich die Mitarbeiter der beiden Organisationen immer in einer sogenannten „Sandwich-Position“, auf der einen Seite als Vorgesetzter, auf der anderen als Mitarbeiter.

Jeder Führungskraft und jedem Mitarbeiter muss bewusst sein, dass Vertrauen ein sehr fragiles Element ist. 

Was ist nach Kramer leichter – zerstören oder aufbauen?

  • negative (vertrauensbedrohende) Ereignisse fallen wesentlich stärker auf als positive.
  • negativen Ereignissen wird mehr Gewicht beigemessen als positiven.
  • Quellen schlechter (vertrauensbedrohender) Nachrichten wird mehr Glaubwürdigkeit beigemessen als positiven Nachrichten.

Das Instrument MAG allein reicht oft nicht aus, um länger bestehende organisationsinterne Probleme zu lösen. Speziell zur Verarbeitung von Spannungen und Konflikten innerhalb eines Teams werden stärker gruppenbezogene Maßnahmen, wie etwa Supervision und Coaching, benötigt.

Führung, auch bezogen auf das Führen mit Zielvereinbarungen, hat nach Neuberger (1990) neben Sachfunktionen der Koordination, Motivation und Kontrolle eine wesentliche soziale Funktion. Die Persönlichkeitsentfaltung der Mitarbeiter zu fördern und für die Durchsetzung von Werten und Normen in der Organisationseinheit zu sorgen, sind wichtige Funktionen in der Wahrnehmung von Führung durch den Vorgesetzten.

Die Qualität der Kommunikation stellt auch dabei einen wesentlichen Einflussfaktor dar.

Im Kommunikationsansatz nach Watzlawik wird davon ausgegangen, dass es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren. Eine gelungene Kommunikation bildet die Grundlage, um ein gesundes Arbeits- und Betriebsklima zu schaffen und in weiterer Folge zu erhalten. Für dieses Gelingen bildet das Vertrauen eine wichtige Grundlage.

Zusammenfassend kann nach Zeyringer festgehalten werden:

  • Das MAG wie die TAB umfasst jeweils periodisch stattfindende Gelegenheiten, gemeinsam aus der alltäglichen Arbeitssituation herauszutreten, über die Qualität der Auftragserledigung und der gemeinsamen Zusammenarbeit nachzudenken, diese zu überprüfen und zu optimieren. 
  • Das MAG und die TAB ersetzen nicht die Notwendigkeit, einen situativen Führungsstil einzusetzen, Konflikte zwischen Mitarbeitern im Team dann zu bereinigen, wenn sie gerade anstehen, bei der Aufgabenerfüllung laufend Vereinbarungen zu treffen, effizientere Besprechungen regelmäßig durchzuführen, sich laufend um das Arbeitsklima zu sorgen, die Arbeitsabläufe und Kooperationsbeziehung im Team aktiv zu gestalten und die Mitarbeiter in die Zielfindung der Organisationsentwicklung mit einzubeziehen.
  • Das Instrument ist eine Investition in die Tragfähigkeit der Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung, in den Aufbau von Vertrauen und Offenheit und somit eine Möglichkeit, präventiv gegen Konflikte oder Mobbing einzutreten. 
  • Es ist eine Investition in die Zufriedenheit und die Motivation der Mitarbeiter im Sinne der Mitgestaltungsmöglichkeit und ein Beitrag zum Aufbau und Erhalt eines guten Arbeits- und Betriebsklimas.
  • Wichtig ist zu betonen, dass es sich dabei um Gespräche handelt, die weit über den Rahmen der sachbezogenen Tagesthemen hinausgehen. „Das macht deutlich, dass das strukturierte Mitarbeitergespräch nicht in Konkurrenz zu üblichen, regelmäßigen Gesprächen mit Mitarbeitern steht, sondern eine Ergänzung bietet“. 

Eine Untersuchung über die Evaluation des MAGs durch Albert Ernst lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Zufriedenheit bei Mitarbeitern mit dem MAG lässt sich mit drei folgenden Faktoren verknüpfen.

Die Zufriedenheit ist größer bei Mitarbeitern,

  • die sich auf das Gespräch vorbereiten,
  • die im Gespräch stärker ihre Meinung äußern können und 
  • die mit ihren Vorgesetzten Ziele vereinbaren, die konkret und spezifisch sind.

Das Ausmaß der Meinungsäußerung und die Qualität der vereinbarten Ziele üben ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Bereitschaft der Mitarbeiter aus, diese Ziele umzusetzen.

Zur Vorbereitung eines MAG und einer TAB bietet sich ein Leitfaden an, der allen Mitarbeitern für die Gesprächsvorbereitung zur Verfügung gestellt wird. Zur Vereinbarung konkreter und spezifischer Ziele im MAG wird z. B. das Ergebnisprotokoll im öffentlichen Dienst angewendet. Eine Adaptierung dieser Formulare auf die jeweiligen Gegebenheiten ist im Rahmen des HRM eines Unternehmens sinnvoll. 

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