Was ist ein Assessment Center (AC)?

AC steht für ein Auswahlverfahren, in welchem mehrere geschulte Beobachter (Führungskräfte, Mitarbeiter, Psychologen) eine Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern in unterschiedlichen Übungen hinsichtlich vorab definierter Verhaltenskriterien beobachten, beschreiben und bewerten.

Das AC (von englisch to assess = beurteilen) ist ein hocheffizientes simulationsorientiertes Verfahren zur Potentialeinschätzung bei der Auswahl und Beurteilung von möglichen Mitarbeitern und Führungskräften.

Dabei werden realistische Arbeitssituationen aus dem angestrebten Betätigungsfeld des Bewerbers praktisch simuliert, und die Kandidatinnen können zeigen, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten.

So lässt sich am konkreten Beispiel überprüfen, ob jemand den spezifischen Anforderungen der Tätigkeit gewachsen ist.

Nach Vollmer wählen AC aus folgenden Determinanten menschlichen Verhaltens aus:

Determinanten menschlichen Verhaltens
Determinanten menschlichen Verhaltens 

Erste Vorläufer des heutigen AC lassen sich bei der ab 1926/27 durchgeführten Offiziersauswahl der deutschen Reichswehr ausmachen. Ziel der Heerespsychologen war es damals, relevante Fähigkeiten und Fertigkeiten der Offiziersanwärter unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und ihrem Status möglichst umfassend zu testen. 

Die Methode gelangte dann über England in die USA, wo sie vom Office of Strategic Services (OSS) für die Selektion von Geheimdienstagenten verwendet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlugen einige Psychologen des OSS eine Universitätslaufbahn ein und setzten sich aus wissenschaftlicher Perspektive eingehend mit der AC-Methodik auseinander. Andere beteiligte Psychologen wechselten in die Privatwirtschaft und brachten dort ihre Erfahrungen ein.

Eine Folge davon war die berühmte „Management Progress Study“ bei der amerikanischen Telephone and Telegraph Company (AT&T). Diese Langzeitstudie (1956-1966) brachte den wissenschaftlichen Nachweis, dass mit einem AC der Berufserfolg recht zuverlässig prognostiziert werden kann. 

1958 folgte der erste nichtwissenschaftliche Einsatz im wirtschaftlichen Bereich bei der AT&T-Tochterfirma Michigan Bell, und in den späten Sechzigerjahren finden sich erste Anwendungen auch im deutschsprachigen Raum.

AC gelangen in den verschiedensten Branchen zur Anwendung, zumal die beobachteten „soft skills“ für jede Führungstätigkeit und Teamarbeit relevant sind.

Nach Lang gelangen nachfolgende Methoden bzw. Übungen während eines AC zur Anwendung:

  • Präsentationen, Selbstdarstellungen
  • Einzel- und Gruppenarbeiten
  • (emotional belastende) Rollenspiele
  • Gruppendiskussionen (mit oder ohne Diskussionsleiter)
  • Bearbeitung von Fallstudien
  • Impulsreferate zu vorgegebenen Themen
  • Bearbeitung von Schriftstücken („Postkorb“-Übung)
  • Psychologische Testverfahren
  • strukturierte und standardisierte Interviews
  • Stressinterviews etc. 

Nachfolgende Prinzipskizze verdeutlicht das eingesetzte Personal in einem AC:

Prinzipskizze eingesetztes Personal im AC
Prinzipskizze eingesetztes Personal im AC

Die eignungsdiagnostische Validität des AC wird oft in Prozent der Prognosegüte angegeben. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gemeint, mit der im Auswahlverfahren festgestellte Ergebnisse auch auf die spätere Leistung am Arbeitsplatz übertragen werden können. 

Nach einer veröffentlichten Studie des Arbeitskreises AC sind nachfolgende Prognosegüten feststellbar:

Prognosegüte von Auswahlverfahren nach dem Arbeitskreis
Prognosegüte von Auswahlverfahren nach dem Arbeitskreis 

Eine höhere Prognosegüte kann jedoch nur erzielt werden, wenn das AC qualitativ hochwertig konstruiert wird. 

Die „Neun Qualitätsstandards für AC“ nach Achouri (2015) lauten: 

1. Anforderungsorientierung

Zu Beginn sollte immer das Anforderungsprofil geklärt sein. Denn wenn man nicht weiß, wofür man etwas entwickelt, kann man es auch nicht richtig entwickeln. Dabei ist es entscheidend, dass das Anforderungsprofil immer auf die unternehmensspezifischen Anforderungen maßgeschneidert ist. Im Anschluss sollte nach dem Anforderungsprofil die Ableitung unternehmensspezifischer Fähigkeiten und als letzter Schritt die Erstellung von geeigneten Übungen erfolgen.

2. Verhaltensorientierung

Hierbei versteht man die strikte Einhaltung protokollierter Verhaltensbeschreibungen in den erstellten Beobachterunterlagen. Es muss eine Trennung zwischen der Wahrnehmung, Interpretation und Beurteilung stattfinden.

3. Prinzip der kontrollierten Subjektivität

Die eingesetzten Beobachter müssen zur Vermeidung von Beobachterverzerrungen bzw. Wahrnehmungsfehlern (siehe Teil 3/Konflikt- und Konfliktprävention) eine ausführliche Beobachterschulung durchlaufen. So muss immer mehr als nur ein Beobachter eine Übung beobachten. 

4. Simulationsprinzip

In einem AC sollten nur solche Situationen simuliert werden, die auch der späteren Arbeitswirklichkeit im Unternehmen entsprechen. 

5. Transparenzprinzip

Das AC muss sehr transparent in einem Unternehmen kommuniziert werden. Im Vorfeld soll im Unternehmen über den grundsätzlichen Ablauf informiert werden, da sich ansonsten Unsicherheiten eher negativ auf das Ergebnis auswirken können. 

6. Individualitätsprinzip

Alle Teilnehmer an einem AC haben unmittelbar eine Rückmeldung zu erhalten. Einer der Beobachter bzw. der Moderator geben jedem AC-Teilnehmer ein ehrliches, direktes und individuelles Feedback. 

7. Systemprinzip

Das AC muss in das Gesamtsystem der Personal- und Organisationsentwicklung eines Unternehmens eingebettet sein. Hierbei muss es zu einer Verzahnung der Ergebnisse im Rahmen aller Personalentwicklungsmaßnahmen kommen, denn ansonsten wäre der erhebliche Aufwand zur Durchführung des AC vermutlich umsonst gewesen.

8. Lernorientierung des Verfahrens

Eine fortlaufende Qualitätsprüfung soll sicherstellen, dass das Verfahren ständig verbessert, etwaige Fehler rasch behoben und Veränderungen im Umfeld (Markt, Organisation, Anforderungsprofil) berücksichtigt werden. 

9. Organisierte Prozesssteuerung

Ein qualifizierter Moderator steuert das Verfahren und achtet auf die Qualität des Prozesses. Er ist auch verantwortlich für die Durchführung der Beobachterkonferenz und unterstützt fachlich die eingeteilten Beobachter, ohne diese zu manipulieren.

Nach Lang sprechen sowohl Kriterien für als auch gegen die Durchführung eines ACs. 

Pro und Contra Assessment Center
Pro und Contra Assessment Center

Das AC ist aber auch ein aufwendiges und kostspieliges Diagnoseinstrument. Es ist daher stets abzuklären, welche Kompetenzen erfasst werden sollen. Steht soziales Verhalten im Fokus, so dürfte die AC-Methode zur Beurteilung von Stärken und Schwächen geeignet sein. 

Zur Abklärung von Fachkompetenz, kognitiver Kapazität, Motivation und Persönlichkeit werden häufig kostengünstigere standardisierte Leistungs- oder Persönlichkeitstests herangezogen (z.B. Big-Five Persönlichkeitstest). 

Vor der Entscheidung, ob ein AC nun zum Einsatz kommen soll, sollten oben dargestellte Vor- und Nachteile ausgiebig diskutiert und gegeneinander abgewogen werden. Die Entscheidung zur Durchführung ist eine strategische Entscheidung der Führungskräfte.

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