Wie sieht die Rolle des Beraters als Führungskraft aus?

Zuletzt aktualisiert: 06.04.2023

Der Vorgesetzte wechselt in der täglichen Zusammenarbeit und speziell beim Mitarbeitergespräch und der Teamarbeitsbesprechung auch in die Rollen als Berater, Begleiter und Förderer. 

Mutzeck bezeichnet „Beratung als vertrauensvolle, zielgerichtete, nach Rat suchende Interaktion. (…) Beratung als eine Form erzieherischen Handelns bewegt sich zwischen den Polen einer gezielten Beeinflussung und direkten Lenkung einerseits und einer Selbststeuerung und Hilfe zur Selbsthilfe andererseits“. 

Für Dietrich (1983) ist Beratung eine interventive, präventiv helfende Beziehung. Dabei bildet sprachliche Kommunikation auf der Basis anregender und stützender Methoden die Grundlage. 

Der Beratungsprozess lässt sich nach Ertelt in folgende sieben Arbeitsschritte unterteilen:

  1. Klärung des Beratungsanliegens
  2. Entwicklung von verschiedenen Lösungsansätzen
  3. Sammlung entscheidungsrelevanter Informationen
  4. gemeinsame Auswertung der Informationen
  5. Erarbeitung von Entscheidungskriterien
  6. Hilfen beim Entscheidungsprozess 
  7. entsprechende Angebote an Realisierungshilfen

Ziel ist es, einen aktiven Lernprozess in Gang zu bringen, in dessen Verlauf die Selbsthilfebereitschaft, die Selbststeuerungsfähigkeit und somit die Handlungskompetenz verbessert werden kann.

Akzeptanz, Empathie und Echtheit werden von Mutzeck als Grundhaltungen des Beraters angesprochen. Das Offensein gegenüber Gefühlen, Gedanken, Vorstellungen und Phantasien des Gesprächspartners und das Annehmen derselben ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Beratung. Im Beratungsgespräch erleben Ratsuchende es häufig schon als hilfreich, dass da jemand ist, der sich für sie, für das, was sie gemacht und erlebt haben, interessiert. 

Nach Mutzeck lassen sich die erforderlichen Berateraktivitäten wie folgt zusammenfassen. Sie werden durch kurze praktische Beispiele (auch aus dem Untersuchungsfeld) dargestellt:

Direktes, persönliches Ansprechen:
Der Vorgesetzte/Berater soll seinen Mitarbeiter/Ratsuchenden ausdrücklich ansprechen, indem er Person, Situation und Sichtweise des Ratsuchenden betont anspricht (z.B.: „Herr X., wie sehen Sie das für Ihre persönliche Situation?“).

Anteilnahme zeigen, insbesondere durch aktives Zuhören:
Aktives Zuhören bedeutet für den Berater und Vorgesetzten auch, Schweigen und Pausen zulassen zu können. (Der Mitarbeiter/Ratsuchende wird z.B. mit Kritik konfrontiert, dann sind Schweigen und Pausen von der Seite des Vorgesetzten „einzuplanen“).

Dialog-Konsens/Kontrollierter Dialog:
Um abzusichern, dass der Vorgesetzte/Berater die Mitteilungen des Mitarbeiters/Ratsuchenden so verstanden hat, wie der Mitarbeiter/Ratsuchende sie verstanden haben möchte, fasst der Vorgesetzte/Berater die Information zusammen und fragt ihn, ob er ihn richtig – in seinem Sinne – verstanden hat (z.B.: „Herr X, habe ich Sie richtig verstanden?“, „Ist das so, wie Sie es meinen?“). Der Mitarbeiter/Ratsuchende soll auf die Frage eine Rückmeldung geben, indem er der Zusammenfassung zustimmt oder sie korrigiert. Erst wenn diese Antwort erfolgt ist, handelt es sich um einen Dialog-Konsens. Der Mitarbeiter/Ratsuchende fühlt sich und seine Aussagen ernst genommen und wertgeschätzt.

Auf Konkretisierung drängen:
Für die Erfassung einer Situation und für die Erarbeitung einer neuen Umgangsweise mit ihr heißt das, es sollte so viel so konkret wie möglich einbezogen bzw. geplant und vorbereitet werden. Negativbeschreibungen („Ich kriege ihn nicht dazu, rechtzeitig Informationen weiterzugeben.“) in Positivbeschreibungen zu transformieren (mögliche Berater-äußerungen, die das verfolgen: „Wie haben Sie das bisher versucht?“ oder „Wie hat Ihr Hinkriegen denn bisher ausgesehen?“). Das Ziel ist es, die Situation vom Mitarbeiter/Ratsuchenden so detailliert und plastisch wie möglich nachzeichnen zu lassen.

Das Ansprechen von Gedanken:
Durch direkte oder indirekte Fragen veranlasst der Vorgesetzte/Berater den Mitarbeiter/Ratsuchenden dazu, seine Gedanken, Vorstellungen, auch Phantasien zu verbalisieren. Besonders hilfreich für die Rekonstruktion von Gedanken ist es, wenn der Berater einen Bezug zu der betreffenden Situation herstellt (z.B.: „Herr X, als Sie die Kanzlei des Vorgesetzten betreten haben, was haben Sie da gedacht?“). Wenn das Ansprechen der Gedanken direkt an den Dialog-Konsens der Konkretisierung des Problems anschließt, ist ein Bezug zu einer Situation unmittelbar möglich, und dies erleichtert dem Ratsuchenden die Rekonstruktion erheblich.

Das Verbalisieren von Gefühlen:
Indem der Vorgesetzte/Berater die Gefühle des Mitarbeiters/Ratsuchenden aufgreift, teilt er ihm mit, dass er diese Gefühle haben und sie spüren darf. Auch bei der Rekonstruktion erlebter Gefühle hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, wenn der Vorgesetzte/Berater auf die vom Mitarbeiter/Ratsuchenden geschilderte Situation eingeht („Als Sie Ihrem Vorgesetzten gegenüber standen, welche Gefühle kamen Ihnen da?“).

In einem Arbeitsbereich, in dem z.B. nach wie vor homogene Männergruppen überwiegen, fällt es vielen Mitarbeitern schwer, persönliche Gefühle zu verbalisieren. Wesentlich für das Gelingen einer Beratung sind die Schaffung und die Einhaltung der Rahmenbedingungen. Darunter fallen ein ausreichender, festgelegter Zeitrahmen, das Ausschalten von Störungen und Unterbrechungen sowie die Schaffung eines gelösten Gesprächsklimas.

Ein Modell, das sich zur persönlichen Vorbereitung anbietet und auch bei Seminaren gerne und gut von den Teilnehmern angenommen wird, ist das Modell der „Kollegialen Beratung“.

Die kollegiale Beratung ist eine Intervisionsmethode, bei der sich eine Gruppe von Führungskräften darin unterstützt, in einem strukturierten Prozess gemeinsam Lösungsmöglichkeiten für individuelle Fragen und Probleme zu erarbeiten. Der Austausch von Ideen und Theorien erweitert die Handlungsalternativen des Ratsuchenden. Schnelle Lösungsansätze engen den Blick meist auf das ein, was wir bereits kennen. 

Nach Klimek lässt sich der Ablauf dieses strukturierten Prozesses wie folgt darstellen:

Vorstellung des Falls (Zeitanhalt 8 Minuten)
Der Fallgeber beschreibt die für ihn schwierige Führungssituation und formuliert die für ihn offene Frage.

Informationsfragen (Zeitanhalt 7 Minuten)
Die Zuhörer stellen Verständnisfragen zum Fall und stellen somit sicher, ihn verstanden zu haben.

Analysephase (Zeitanhalt 20 Minuten)
Die Zuhörer analysieren und interpretieren die Informationen und stellen Vermutungen an. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf den beschriebenen Fall, auf die Person des Fallgebers und auf die Art und Weise, wie sich der Fallgeber zum Fall in Beziehung setzt. Sie versetzen sich in die Lage der an der Situation beteiligten Personen, um ihre Sicht der Dinge zu berücksichtigen. In der Analysephase befindet sich der Fallgeber außerhalb des Stuhlkreises und ausschließlich in der Rolle eines Zuhörers.

Zwischenreview (Zeitanhalt 5 Minuten)
Hier gibt der Fallgeber eine kurze Stellungnahme ab. Er klärt in dieser Phase grobe Missverständnisse auf und präzisiert wenn nötig die anfängliche Darstellung.

Lösungsphase (Zeitanhalt 10 Minuten)
Nun erarbeiten die Teilnehmer Lösungsideen oder Handlungsalternativen. Die einzelnen Vorschläge werden nicht diskutiert. Ziel ist es, eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Wie in der Analysephase befindet sich der Fallgeber außerhalb des Stuhlkreises und ausschließlich in der Rolle des Zuhörers.

Abschlussreview (Zeitanhalt 10 Minuten)
Nun gibt der Fallgeber eine Rückmeldung, wie es ihm in der Analyse und Lösungsphase ergangen ist, welche Lösungsvorschläge für ihn hilfreich sind und welche konkreten Schritte er unternehmen wird.

Die Aufgabe des Moderators besteht darin, die Zeitstruktur einzuhalten und die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Ebenen des Falls zu richten. Von der Durchführung dieser Beratungsform profitieren alle Beteiligten. Diese Methode stärkt die Fähigkeit zu einem lösungsorientierten Dialog und legt somit einen Grundstein für die Entwicklung einer tragfähigen Unternehmenskultur. 

So wendet auch Palfinger Europe dieses Instrument seit 2008 im mittleren Management erfolgreich an.

Die vorgestellten Grundlagen sind für die Führungskraft und ihre Mitarbeiter eine gute Richtschnur, um diese Erkenntnisse umzusetzen. Die bisher behandelten kommunikationstheoretischen Grundlagen und ein Führen mit Zielen sind für das gemeinsame Leben und Arbeiten in einem Unternehmen von großer Bedeutung. Sie bilden daher auch die Grundlage für die Arbeit unter erschwerten Bedingungen. Die Kenntnisse und eine Wiederholung von gruppendynamischen Grundlagen sind für die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt von Mitarbeitern bzw. die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern einer anderen Organisationseinheit eine wichtige Voraussetzung. Daher werden nun die behandelten Grundlagen um den Bereich der Gruppe und Gruppendynamik ergänzt.

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