Was ist Wahrnehmung und Präsentation?
Inhaltsverzeichnis
Aus den physiologischen Grundlagen der Wahrnehmung lassen sich nicht nur interessante Analogien in Bezug auf die Präsentationen mit und ohne Medien, sowie auch eine Reihe elementarer Regeln ableiten. Visualisierung darf die Leistungsfähigkeit des Auges nicht überstrapazieren, die Sehleistung hat sowohl bei der Größe des Objekts als auch bei der Kontrastwahrnehmung ihre Grenzen. Mühelose Wahrnehmung setzt klare Kontraste sowie ausreichende Schriftgröße und Linienstärken voraus.
Wie mit Sprache in Wort und Schrift umgegangen wird, was sinnvolle und logische Gliederungen und klare Schwerpunktsetzungen sind, sind häufig besprochene Themen. Weniger diskutiert werden Aspekte der visuellen Wahrnehmung. Solche Aspekte können Mechanismen der Wahrnehmung sein und ihr Einfluss auf die Produktion von wirkungsvollen Präsentationen.
Was ist die Physiologie der Wahrnehmung?
Das Auge
Ein weit verbreiteter Ansatz zur Deutung der Wahrnehmung ist der Vergleich des Auges mit einer Kamera.
Bei der Kamera wird durch ein verstellbares Linsensystem das umgekehrte Bild eines Objekts auf einen lichtempfindlichen Film projiziert; eine Blende übernimmt dabei die Regulierung der Lichtmenge. Nach dem Entwickeln und der Umkehrung beim Vergrößern liegt schließlich ein sichtbares, zweidimensionales Abbild des Objekts vor. Bei modernen Digitalkameras ist kein lichtempfindlicher Film und dessen Entwicklung und Umkehrung notwendig, die nachstehenden Überlegungen sind jedoch ebenfalls gültig.
Ebenso wird im Auge durch eine verformbare Linse ein umgekehrtes Bild auf den Augenhintergrund projiziert; die Iris übernimmt die Funktion der Blende, die lichtempfindliche Netzhaut die Rolle des Films. Von der Netzhaut wird das Bild durch den Sehnerv ins Gehirn transportiert, um dort schließlich in einem bestimmten Bereich – der Sehrinde – wieder aufrecht gestellt und bewusst gemacht zu werden.
Dieser dargestellte Vergleich von Kamera und Auge dürfte durch seine Anschaulichkeit überzeugen. Dennoch trägt er nichts zur Klärung des eigentlichen Wahrnehmungsvorgangs bei.
Der Fehler dieses Vergleichs liegt in der Annahme, dass das auf der Netzhaut abgebildete Bild mit dem wahrgenommenen identisch sei. Es ist unbestritten, dass das Netzhautbild die Grundlage der Wahrnehmung bildet. Es bestehen jedoch erhebliche Unterschiede zwischen der tatsächlichen Wahrnehmung einer visuellen Umgebung und dem Bild auf der Netzhaut. Zudem wird das Netzhautbild nicht in dieser Form in das Gehirn transportiert, wo es ja erst verarbeitet und analysiert wird.
Für die inhaltliche Gestaltung von Visualisierungen lassen sich aus der allgemeingültige Regeln ableiten. Aus der Fülle der angebotenen visuellen Informationen werden dem Betrachter nur diejenigen bewusst gemacht, die in der jeweiligen Situation besonders wichtige oder auffällige Elemente enthalten. Alle anderen Informationen werden während der Übertragung in das Gehirn in den Hintergrund gedrängt oder vollständig ausgeblendet.
Was wahrgenommen werden soll, muss sichtbar sein.
Das menschliche Gehirn
Das menschliche Gehirn besteht aus einer linken und einer rechten Hälfte (Hemisphäre). Die beiden Hemisphären haben unterschiedliche Aufgaben und sind durch einen starken Nervenstrang verbunden. In der Regel ist eine der beiden Gehirnhälften stärker (dominanter) ausgeprägt und Wahrnehmungen werden über diese dominante Gehirnhälfte verarbeitet. Diese Tatsache trägt auch zur Erklärung bei, warum verschiedene Menschen das gleiche Objekt unterschiedlich wahrnehmen.
Die Aufgaben der beiden Hemisphären lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Rechte Hemisphäre: steuert die linke Hemisphäre; Kreativität, gesamtheitliches Vorgehen; Gefühl; Verarbeiten grafischer und analoger Informationen.
- Linke Hemisphäre: steuert die rechte Hemisphäre; Logik; abstraktes und analytisches Vorgehen; Verstand; Verarbeiten von Sprache.
Argumentationsketten
Für Präsentationen bedeutet dies, dass es sinnlos ist, eine große Menge von Informationen gleichzeitig darzubieten, die miteinander im Wettstreit bezüglich Wichtigkeit für den Betrachter liegen.
Lässt sich eine Aussage problemlos in einer einzigen Visualisierung übermitteln, so sollte diese Chance genutzt werden. Genau dieses Bild soll ohne unnötiges Beiwerk in den Mittelpunkt gestellt werden.
Komplexe Argumentationen sollten dagegen in einzelne Blöcke zerlegt werden, die nach einem sinn-vollen didaktischen Konzept entweder zeitlich oder räumlich aufeinander folgen. Zeitliche Strukturierung bedeutet, eine Folge einzelner Abbildungen zu erstellen. Räumliche Strukturierung bezieht sich auf die Anordnung der einzelnen Elemente in einer Abbildung. Solche räumlichen Anordnungen orientieren sich dabei in der Regel an erlernten Leserichtungen. In der westlichen Welt beginnt diese Richtung links oben und geht nach rechts unten.
Schlüsselpositionen in einer längeren Argumentationskette sind der Einstieg sowie der Endpunkt. So wird die erste Abbildung einer Abbildungsfolge oder die linke obere Zone einer komplexen Abbildung häufig wirkungsvoll für einen visuellen „Aufhänger“ genutzt, mit dem in eine Problematik eingeführt wird. Dadurch wird auch positive Motivation für das geplante Thema erzeugt.
Der Endpunkt, also die letzte Abbildung einer Folge in der rechten unteren Zone einer komplexen Abbildung, wird das Ergebnis der Argumentation aussagekräftig darstellen. Die Argumentationsstrecke zwischen diesen beiden Schwerpunkten sollte nicht mit visuellen Elementen überladen sein, die im gegenseitigen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Zuhörers stehen. Vielmehr sollte sie inhaltlich straff und optisch zurückhaltend zum Ergebnis führen.
Wahrnehmungspsychologie
Wahrnehmungspsychologische Mechanismen wie die Gestaltgesetze spielen vor allem bei der Strukturierung von Abbildungen eine wichtige Rolle. Klare Erkennbarkeit, eindeutige Zuordnung und damit auch die starke Wirkung einer grafischen Veranschaulichung lässt sich durch Verständnis dieser Gesetze verbessern. Für die Wahrnehmung bedeuten diese, dass die Interpretation durch den Betrachter die entscheidende Rolle spielt, und nicht nur was objektiv vorhanden ist. Das menschliche Gehirn neigt nämlich dazu, wahrgenommene Objekte mit bereits vorhandenen (bekannten) Objekten und bereits vorhandenem Wissen abzugleichen. Dieser Abgleich kann so weit gehen, dass das wahrgenommene Bild manipuliert wird, um es mit Vorwissen in Einklang zu bringen. Diese Manipulation kann durch ein Gruppieren von wahrgenommenen Elementen, Ausblenden von Details und sogar Einfügen von nicht vorhandenen Details geschehen.
In der Folge werden einige Gestaltgesetze (nach LEWIN) vereinfacht dargestellt:
- Prägnanz. Bilder mit besonderen Merkmalen werden zuerst wahrgenommen und auch stärker.
- Ähnlichkeit. Elemente, die als ähnlich wahrgenommen werden, werden als zusammengehörig gruppiert.
- Nähe. Nah beisammen liegende Elemente werden als Gruppe wahrgenommen. Der Effekt der Nähe kann dazu führen, dass damit der Effekt der Ähnlichkeit ausgelöscht wird.
- Figur und Hintergrund. Gut strukturierte Elemente werden eher als Figur, schwach strukturierte Elemente eher als Hintergrund wahrgenommen.
- Erfahrung und Erwartung. Fehlerhafte Elemente werden nicht als fehlerhaft wahrgenommen, wenn aufgrund früherer Erfahrungen ein korrektes Bild in der Erinnerung vorhanden ist. Bekanntes wird nur kurz angesehen, um es als Gesamtbild zu erfassen, wobei Details aus der Erinnerung ergänzt werden.
- Kontinuität. Zeitlich aufeinander folgende Objekte werden miteinander in Verbindung gesetzt.
- Geschlossenheit. Geschlossene Figuren werden besser erkannt, offene weniger gut. Bei offenen Figuren können fehlende Details ergänzt werden.
Dazu einige Beispiele:
Nähe: Die sechs Linien werden als drei Linienpaare und nicht als sechs einzelne Linien wahrgenommen.
Geschlossenheit: Trotz der Nähe der Linien werden die beiden geschlossenen Elemente (Rechtecke) als Rechtecke wahrgenommen. Der Effekt der Geschlossenheit löscht den Effekt der Nähe aus.
Ähnlichkeit: Durch die Färbung einiger Kreise werden zwei vertikale Gruppenpaare wahrgenommen. Die Zusammengehörigkeit der Kreise entsteht durch die Gleichheit der ausgefüllten und leeren Kreise.
Geschlossenheit: Wahrgenommen wird hier in erster Linie das Muster eines Quadrats und erst danach die Form des Kreuzes jedes einzelnen Elementes.
Mit Stilelementen wie hinterlegten Fotos sollte kritisch umgegangen werden. Eine angestrebte Emotionalisierung der Abbildung darf die Lesbarkeit des eigentlichen Informationsträgers nicht in Frage stellen.
Die klare Trennung von Figur und Hintergrund ist bei gegenständlichen Abbildungen in der Regel kein Problem. Mit wachsendem Abstraktionsgrad einer Visualisierung steigt jedoch die Gefahr von Missdeutungen durch die Einwirkung von Gestaltmechanismen, so dass hier zunehmend Aufmerksamkeit geboten ist.
Auch durch die Missachtung der gebräuchlichen Leserichtung kann es zu Fehlinterpretationen von Abbildungen kommen.
So wird eine Folge von Säulen in einem Diagramm stets von links nach rechts gelesen und dabei als zeitliche Entwicklung interpretiert. Selbst wenn es dabei um einen örtlichen Vergleich geht, entsteht so der ungewollte Eindruck eines steigenden oder fallenden Entwicklungstrends.
Durch die Auswahl eines geeigneteren Diagrammtyps, beispielsweise einer Grafik mit horizontalen Balken oder einer Landkarte mit unterschiedlich großen Stadtsymbolen, lassen sich derartige Fehlinterpretationen vermeiden.
Im Internet sind einige Symbole und Diagramme kostenlos zum Download erhältlich, beispielsweise:
Es werden grundsätzlich positive Nachrichten erwartet … nicht nur fremde theoretische Ansätze kritisieren, sondern möglichst zu versöhnlichen, konstruktiven Schlüssen kommen.