Wieso ist transformative Führung ein Erfolgsfaktor des Wandels?

Zuletzt aktualisiert: 06.04.2023

Der organisatorische Wandel benötigt beides: sowohl die Transaktion als auch die Transformation. 

Die transaktionale Führung spricht die Sachebene der Veränderung an; die transformative Führung spricht die emotional-psychologische Ebene an. Aufgrund der Vielschichtigkeit der emotionalen Ebene ergibt sich hieraus auch die Vielschichtigkeit der transformativen Führung. 

Die Universitäten München und Bielefeld befragten in einer Studie 100 Führungskräfte und etwa 400 Mitarbeiter sowohl von deutschsprachigen Unternehmen als auch Non-Profit-Organisationen hinsichtlich der Führungsaufgaben, welche sich aus der transformativen Führung ergeben. Hieraus wurden 4 wesentliche Rollenmerkmale abgeleitet: Visionär, Problemlöser, Coach und das authentische Vorbild. 

Zusätzlich zu den Führungsrollen ergaben sich noch Persönlichkeitsmerkmale, welche Führungskräfte in der transformativen Führung beschreiben. Zu diesen Persönlichkeitsmerkmalen zählen die Zielgerichtetheit und Willenskraft, sowie eine starke Ausprägung der Emotionalen Intelligenz. 

Auf die 4 Rollen sowie die Persönlichkeitsmerkmale soll nachfolgend detailliert eingegangen werden.

Rollen transaktionaler und transformativer Führung
Rollen transaktionaler und transformativer Führung

Was ist die visionäre Führungsrolle?

Die Vision im Rahmen des organisatorischen Wandels steht für ein erreichbares aber herausforderndes Zukunftsszenario als Zielsetzung für die Organisation. Visionäre sind demnach keine Utopisten, sondern motivierende Realisten, welche ein klares Ziel vor Augen haben. 

Um die Führungsrolle des Visionärs einnehmen zu können, muss die Führungskraft zwei Voraussetzungen mitbringen

  1. Die Führungskraft muss in der Lage sein, den Organisationsmitgliedern den Sinn des organisatorischen Wandels vermitteln zu können: der heutige Mitarbeiter versteht sich nicht mehr als reiner „Befehlsempfänger“, sondern verlangt nach Wertschätzung und offener Kommunikation; er will verstehen, warum man etwas verändern soll. Nur wenn er den Sinn und die Rahmenbedingungen, damit auch das Ziel des Wandels versteht, entwickelt der Mitarbeiter die Eigenmotivation und Eigenverantwortung, um den Wandel aktiv mitzutragen und mitzugestalten. 
  2. Die Führungskraft muss in der Lage sein, die Vision überzeugend zu kommunizieren: transformative Führung ist von Kommunikation geprägt. Der Visionär soll kein Meister der Show sein, er muss in der Lage sein, die Vision und die darin enthaltene Botschaft klar und nachhaltig der Organisation mitzuteilen. Hierzu muss er zum einen die Sprache der Zielgruppe (=Angesprochenen) sprechen. Zum anderen muss er sicherstellen, dass das Gesagte auch verstanden wird. Bildhafte Analogien helfen, das Gesagte verständlich zu machen und wesentliche Prinzipien zu verstehen. Zudem bleiben Bilder länger im Gedächtnis. 

Die visionäre Führungskraft muss in ihrer Führungsrolle oftmals einen Spagat leisten: 

  • Sie muss begeistern und motivieren, gleichzeitig aber die Lage nüchtern beurteilen und überwachen
  • Sie muss die Notwendigkeit der Veränderung aufzeigen, ohne die Vergangenheit schlecht zu reden. Durch Schlechtreden der Vergangenheit können Widerstände geweckt werden, welche den Veränderungsprozess behindern. 
  • Sie muss besonnen und überlegt handeln, obgleich sie unter externem und/oder internem Zeitdruck steht

Die Sachebene der Veränderung (die Planung, die Aufgabenverteilung, die Einzelmaßnahme) schafft die Grundlage für diesen Spagat. Nur wenn die Führungskraft sich sicher ist, dass die Planung und die Grundlagen für den bevorstehenden Veränderungsprozess sicher ausgearbeitet sind, schafft sie es, in diesem genannten Spannungsfeld überzeugend aufzutreten. 

Wie sieht die Führungsrolle als Coach aus?

Coaching bedeutet in seiner ursprünglichen Interpretation Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Ein Coach darf nicht anweisen, sondern muss durch Hinterfragen dem Coachee eine Art Spiegel vorhalten, damit daraus die Selbsterkenntnis wächst und notwendige Maßnahmen (z.B. Verhaltensänderungen) abgeleitet werden können. 

Im Kontext des Arbeitsumfeldes wird dieser Prozess des „Spiegel-Vorhaltens“ in Form von Feedback abgebildet. Das Feedback beinhaltet sowohl Lob als auch konstruktive Kritik und ist ein wesentliches Element der Mitarbeitermotivation.

Feedback erleichtert die Fehlersuche, hilft bei der Selbsteinschätzung und stößt persönliche Lernprozesse an.

Für das Geben von Feedback sind folgende Regeln einzuhalten: 

  • Feedback sollte zeitnah zum Geschehen erfolgen, damit beide Parteien (Feedback-Geber und Feedback-Nehmer) alle wesentlichen Informationen zum betreffenden Geschehen noch frisch in Erinnerung haben. 
  • Feedback darf nicht im Affekt gegeben werden, sondern ist ein Prozess, welcher unter vollem Bewusstsein von Ziel und Wirkung erfolgen muss. 
  • Feedback muss immer konstruktiv sein, d.h. statt Pauschalaussagen und Generalisierungen müssen konkrete Fakten genannt werden, um den selbstkritischen Dialog zu fördern
  • Damit Feedback glaubwürdig ist, muss es regelmäßig aber nicht inflationär erfolgen. Übertriebenes Lob oder Übertreibungen anhand von Superlativen schränken die Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit stark ein. 
  • Feedback muss immer im persönlichen Gespräch, unter vier Augen, im angemessenen Rahmen erfolgen. 

Um die Führungsrolle des Coachs erfolgreich übernehmen zu können, sollte die Führungskraft mindestens zwei Eigenschaften erfüllen: 

  1. Wertschätzung der Mitarbeiter: dies zeichnet sich vor allem durch die Grundhaltung des Respekts und Aufmerksamkeit den Mitarbeitern gegenüber aus. Eine wertschätzende Führungskraft zeigt aufrichtiges Interesse und Aufmerksamkeit an den Belangen, Bedürfnissen und auch Sorgen der Mitarbeiter und hat ein Interesse daran, die Mitarbeiter in diesen einzelnen Bereichen zu unterstützten und zu fördern. Die wertschätzende Einstellung den Mitarbeitern gegenüber zeigt sich nicht zuletzt an jenen Komponenten der Kommunikation, welche Emotionen transportieren, z.B. Mimik, Gestik, Körpersprache. 
  2. Erfolgs- und Misserfolgserfahrung: Nur wer selbst bereits Erfolge und Misserfolge durchlaufen hat, kann in schwierigen Situationen (z.B. Veränderungsprozesse) glaubwürdige Handlungsempfehlungen oder Vorschläge erteilen. Ein Coachee wird Schwierigkeiten haben, einen Coach zu akzeptieren, welcher scheinbar fehlerlos ist und nie auf Widerstände trifft bzw. traf. Die Distanz zwischen der gefühlten Leistungsfähigkeit des Coachees und der des Coaches wäre aus Perspektive des Coachees zu groß. Zusätzlich schafft das offene Zugeständnis zu Misserfolgen ein weiteres Vertrauensverhältnis zwischen Coach und Coachee: nur wer zu seinen eigenen Fehlern und Schwächen steht, wirkt auch glaubwürdig. 

In der Führungsrolle des Coaches muss die Führungskraft vor allem eine Vertrauensbasis schaffen, um daraus die individuelle Entwicklung der einzelnen Organisationsmitglieder im Rahmen des Veränderungsprozesses zu ermöglichen. 

Der Coach schafft die Grundlage zur Selbsterkenntnis: dadurch steigt die Bereitschaft und Akzeptanz seitens der Organisationsmitglieder, den organisatorischen Wandel aktiv mit zu unterstützen. Alte Verhaltensgewohnheiten, Prozesse und Arbeitsstrukturen werden dann nachhaltig abgelegt und das neue Verhalten akzeptiert. 

Wie sieht die Führungsrolle als Wohltäter aus?

Transformativ orientierte Führungskräfte stellen ihre eigenen Interessen und Belange nicht in den Vordergrund. Sie haben auch keine Angst vor starken Persönlichkeiten an ihrer Seite. In Kombination mit der Rolle Coach entwickelt und fördert die Führungskraft Talente in ihrem Bereich. Der Wohltäter fordert jedes einzelne Organisationsmitglied heraus und stimuliert das Engagement jedes Einzelnen, um damit die Chance zu ermöglichen, den Veränderungsprozess als positive Erfahrung zu erleben. 

Der Wohltäter hat keine Scheu vor schwierigen Entscheidungen. Aber auch in Krisensituationen bewahrt er die Vorbildfunktion und stellt seine persönlichen Belange hinten an.

Wie sieht die Führungsrolle als authentisches Vorbild aus?

„Wasser predigen und Wein trinken“ ist keine geeignete Führungsstrategie, vor allem nicht im Zuge organisatorischen Wandels. Die Vision geht mit hohen Erwartungen einher, welche auch die Führungskraft an sich selbst stellen muss. Dazu gehört an erster Stelle auch ein persönlicher unermüdlicher Einsatz für die Sache selbst. 

Dieser persönliche Einsatz vermittelt die Glaubwürdigkeit und weckt Vertrauen auf Seiten der Organisationsmitglieder. 

Veränderung geht immer mit Risiko einher, birgt immer die Gefahr von Fehlern und Rückschlägen. Das authentische Vorbild wird Fehler oder Rückschläge eingestehen und offen damit umgehen. Dieses Verhalten wird als Zeichen von Gerechtigkeit, Vertrauenswürdigkeit sowie Souveränität gesehen und wird dazu führen, dass die Akzeptanz und Unterstützung durch die Organisationsmitglieder steigt. 

Zum authentischen Vorbild gehört auch die Lernbereitschaft. Die Führungskraft wird nicht nur von den Organisationsmitgliedern verlangen, sich zu verändern. Sie wird auch an sich selbst eine hohe Messlatte in Bezug auf Verhaltensveränderung und Weiterentwicklung legen. Sie wird neue Themen mit den Organisationsmitgliedern gemeinsam erarbeiten und lernen bzw. sie wird auch auf Wissen und Informationen von den Organisationsmitgliedern zurückgreifen. 

Das authentische Vorbild wird die Veränderung selbst vorleben. Das, was von den Organisationsmitgliedern verlangt wird (z.B. Verhaltensänderungen, Einschnitte, Verzicht, neue Aufgaben), wird die Führungskraft mittragen und mitgestalten. 

Wie helfen die Persönlichkeitsmerkmale Zielgerichtetheit und Willenskraft?

Transformative Führung bedeutet vor allem, „das Richtige zu tun“. Von der Führungskraft wird nicht nur Energieeinsatz verlangt, sondern vor allem die Entschlossenheit und der Wille, das angestrebte Ziel zu erreichen. Dieses Ziel ist im Rahmen von organisatorischem Wandel immer eine Herausforderung. Die transformative Führungskraft wird selbst bei allen widrigen Umständen an dem Ziel festhalten. Insbesondere in der Führungsrolle Visionär ist dieses Persönlichkeitsmerkmal unabdingbar. 

Wie hilft das Persönlichkeitsmerkmal Emotionale Intelligenz?

Der Begriff der Emotionalen Intelligenz wurde 2004 von Daniel Golemann geprägt und entstammt einer Studie, welche die Eigenschaften und Verhaltensweisen von erfolgreichen im Vergleich zu nicht-erfolgreichen Führungskräften untersuchte. 

Hieraus ergaben sich fünf Faktoren, welche allesamt die erfolgreichen Führungskräfte auszeichneten und welche dann im Nachgang von Golemann als Emotionale Intelligenz zusammengeführt wurden:

  1. Selbstreflexion: dies beschreibt die Fähigkeit, zum einen die eigene Gefühlslage (eigenen inneren Zustand, Stimmung, Antrieb und Gefühl) zu kennen, sowie deren Wirkung auf andere zu erkennen. Selbstreflexion stellt eine kritische Haltung gegenüber sich selbst dar, und schafft damit die Grundlage sowohl für das Erkennen von persönlichem Wandlungsbedarf, aber auch für das Erkennen persönlicher Stärken. 
  2. Selbstkontrolle: ermöglicht die Beherrschung von plötzlichen Impulsen und Stimmungen und schafft damit die Basis für den geregelten sozialen Umgang und Vertrauenswürdigkeit. Organisatorischer Wandel verursacht häufig Widerstand, die Selbstkontrolle im Umgang mit dieser Situation wirkt deeskalierend auf potentielle Konflikte. 
  3. Motivation: die Motivation ist nach Golemann die Basis für die Willenskraft und stellt eine Form der Hingabe (Antrieb) aus Gründen jenseits monetärer Anreize dar. Motivation stellt das Streben nach dem Zielzustand dar. 
  4. Empathie: beschreibt die Fähigkeit, sich in die Gefühlslage sowie Gefühlswelt des Anderen hineinzuversetzen. Empathie ist die Grundlage, um die Führungsrolle des Coaches wahrzunehmen. 
  5. Soziale Kompetenz: beschreibt die Fähigkeit, Beziehungen zu anderen Menschen zu unterhalten und Netzwerke zu schaffen. Die Sozialkompetenz ist die Grundlage, um überhaupt eine Führungsrolle wahrnehmen zu können. 

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