Was ist systemisches Projektmanagement?
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Projekte sind heutzutage mit Herausforderungen konfrontiert, welche auf Grund deren Komplexität nicht mehr durch einfache und lokal anwendbare Maßnahmen gelöst werden können. Dabei steht dem Umgang mit dynamischer Komplexität das menschlich-lineare Denken im Weg.
Um Ursache und Wirkung in miteinander agierenden Systemen verstehen zu können, muss auch in miteinander agierenden Systemen gedacht werden. Dabei stellen auch die in einem Projekt tätigen Personen ein klassisches System dar: es gibt ein „System des Projekts“, welches wiederum von Systemen wie dem ausführenden Unternehmen oder Kundenstrukturen umgeben ist.
Der Ansatz, Projekte – ebenso wie Menschen – systemisch zu betrachten, fokussiert die Aufmerksamkeit auf das Zusammenwirken der verschiedenen Elemente in einem System und versucht damit, deren Komplexität gerecht zu werden. Das lineare, kausale Denken wird dabei durch rückbezügliches und zirkuläres Denken ergänzt. Da Projekte selbst Unternehmen auf Zeit bilden und gleichzeitig innerhalb von Unternehmen stattfinden, kann diese Betrachtungsweise gute Erkenntnisse für den Umgang mit Projektbeteiligten liefern.
Eine der Stärken des systemischen Denkens ist das Erkennen von gegenseitigen Abhängigkeiten. Die entstehende Dynamik geht dabei von Rückkopplungskreisläufen aus. Frägt man beispielsweise nach den Ursachen für das globale Thema der Überbevölkerung, so wird man meist eine additive Liste von Argumenten erhalten:
Dahinter stehen Annahmen wie „jeder Ursachenfaktor liefert einen Beitrag zur Wirkung, d.h. die Kausalität läuft immer nur in einer Richtung“ oder „jeder Faktor wirkt von den anderen unabhängig“. Beim systemischen Denken werden hingegen zirkuläre und rückbezügliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fakten miteinbezogen:
Im systemischen Denken werden nicht einzelne Elemente oder Beziehungen, sondern die Elemente und deren Bedingungsgefüge betrachtet. Jedes Element bestimmt dabei – ähnlich wie bei einem Mobile – die Bedingungen aller anderen Elemente mit: die Veränderung an einem Element des Mobiles verändert das ganze System.
Das Interesse gilt somit den Strukturen, den Funktionen und dem Verhältnis der Elemente innerhalb des Gesamtgefüges sowie den Mustern und Regeln der Transaktionen und den daraus resultierenden Veränderungen von Systemzuständen.
Was ist die Entwicklung der Systemtheorie?
Erste Ansätze für eine systemische Sicht finden sich schon in der Antike, beispielsweise bei Aristoteles, auf den der Satz „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ zurückgeführt werden kann. Aristoteles unterscheidet dabei ausdrücklich zwischen dem Holon („ganz“) und dem Pan („gesamt“). „Gesamt“ bezieht sich auf eine bloße Ansammlung, während „Ganz“ eine in einer bestimmten Weise strukturierte Gesamtheit bezeichnet.
Das Ganze ist also etwas Bestimmtes neben den Teilen und nicht nur die Summe der Teile. Diesem Gedanken folgend ergeben sich zwischen den Teilen eines Systems zusätzliche Eigenschaften, d.h. Eigenschaften, die nicht bei irgendeinem Teil des gesamten Systems gefunden werden können.
Der Systemgedanke fand sich seitdem in verschiedenen philosophischen und theologischen Schriften wieder. Eine wissenschaftliche Untersuchung dieses ganzheitlichen Denkens wurde jedoch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschaffen.
Entscheidend für die Entwicklung der daraus resultierenden Systemtheorie war die Erkenntnis, dass für Systeme unterschiedlicher Art und Herkunft bestimmte und sehr allgemeine Prinzipien gelten. Die Aufgabe der allgemeinen Systemtheorie bestand daher darin, die für unterschiedliche Systeme gleichermaßen geltenden Prinzipien zu erkennen und in einer Theorie mit einheitlicher Terminologie zusammenzufassen.
Intensive und interdisziplinäre Forschungen während des zweiten Weltkriegs führten zu neuen systemtheoretischen Ergebnissen sowie zu neuen Forschungsgebieten wie Operations Research oder der Systemanalyse.
Die somit systemtheoretisch fundierte Systemanalyse basiert auf der Analyse des rationalen Handelns und erweitert diese um die ganzheitliche Betrachtungsweise. Dabei werden zu Beginn unbekannte Elemente und Beziehungen eines Systems in einer schrittweisen Annäherung ermittelt.
Welche Systeme gibt es?
Projekte sind von Systemen umgeben und können selbst als System verstanden werden. Systeme sind jedoch nicht naturgegeben, sondern das Resultat einer Sichtweise auf Objekte aus einer objektiven und subjektiven Realität.
Im systemischen Projektmanagement werden die Parameter des klassischen Projektmanagements mit sämtlichen sozialen Interaktionen zwischen den Beteiligten (= „Elemente“) als Ganzheit verstanden. Dabei stehen individuelle Interessen, Erfahrungen, Ziele, Rollen und Aufgaben im Projekt und der Organisation, persönliche Lebenslagen und angelernte Verhaltensmuster miteinander in Wechselwirkung (= „Beziehungen“).
Im Sprachgebrauch sind Begriffe wie „Sonnensystem“, „Pensionssystem“ oder „Verkehrssystem“ bekannt und gebräuchlich. Um die gemeinsamen Merkmale zu verdeutlichen, braucht es eine allgemeine Definition des Systembegriffs.
Der Begriff „System“, ursprünglich aus dem Griechischen stammend, bedeutet Zusammenstellung, Vereinigung und Ganzes. Daraus geht hervor, dass Teile bzw. Elemente existieren müssen, die in einer bestimmten Ordnung, dem System, zueinander stehen. Ein System ist somit eine geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen denen bestimmte Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können.
Was ist eine Systemgrenze?
oll nun ein solches System untersucht werden, muss es von seinem Umfeld abgegrenzt werden. Es muss eine Systemgrenze festgelegt werden, die ganz individuell von der Fragestellung und vom Beobachtungsstandpunkt des Untersuchenden abhängt. Daher müssen innerhalb der Systemgrenze all jene Faktoren liegen, welche das beobachtete Systemverhalten beeinflussen.
Ein System kann selbst wieder ein interagierender Bestandteil eines übergeordneten Systems sein. Für die Betrachtung macht es dabei Sinn, das zu untersuchende System in kleine, handhabbare Einheiten zu unterteilen. Das System besteht dann aus einer Menge von Subsystemen.
Systemgrenzen können offen oder geschlossen sein. Offene Systeme sind durch Outputströme gekennzeichnet, die wiederum Reaktionen auf zeitlich vorangegangene Inputströme sind. Es entsteht ein Austausch von Materie, Energie und/oder Informationen. Das Ausmaß der Out- und Inputs bestimmt den Grad der Offenheit.
Outputs sind isoliert zu betrachten und verfügen über keinerlei Einfluss auf Inputs. Weiterhin beobachtet ein offenes System nicht und reagiert nicht auf seinen Output. Das heißt, dass die Folgen von vorausgegangenen Aktionen zukünftige Aktionen nicht beeinflussen und dass das offene System nicht rückkoppelnd auf das eigene Verhalten reagiert.
Geschlossene Systeme beeinflussen ihr eigenes Verhalten infolge vorausgegangener Aktionen. Aus diesem Grund spricht man bei geschlossenen Systemen auch von Rückkopplungssystemen oder Regelkreisen. Solche Regelkreise weisen eine Struktur im Sinne einer geschlossenen Schleife Entscheidung -> Aktion -> Systemzustand -> Entscheidung… auf. Diese Art von Kausalkreislauf zwischen den Elementen findet sich bei allen Modalitäten von Entscheidungsproblemen wieder, seien sie biologischer, sozialer, physiologischer oder neurologischer Natur.
Was ist die Systembeschreibung?
Systeme werden durch die Darstellung der Systemeigenschaften und ihrer spezifischen Ausprägungen beschrieben. Solche Beschreibungen sind immer Resultat einer subjektiven Betrachtung des
Beschreibenden, weshalb es keine allgemeingültige Beschreibung eines konkreten Systems geben kann.
Elemente bilden die unterste Ebene der Betrachtung, die nicht weiter unterteilt werden können oder im Zuge der Betrachtung nicht weiter unterteilt werden sollen. Kritische Elemente stehen mit anderen Elementen des Systems so in Beziehung, dass sie einerseits selbst viele Elemente beeinflussen und andererseits von vielen beeinflusst werden. Diese Elemente stellen die zentralen Elemente des Systems dar. Demgegenüber hängen Indikatorelemente von vielen Systemelementen ab, beeinflussen andere jedoch nur geringfügig. Sie zeigen den Gesamtzustand des Systems an.
Ist ein Zusammenhang zwischen einer Eigenschaft eines Elements und einer Eigenschaft eines anderen Elements gegeben, so liegt eine Beziehung zwischen diesen Elementen vor. Unter Beziehungen oder Relationen werden daher Verbindungen zwischen Elementen verstanden, die das Verhalten der Elemente und deshalb auch des ganzen Systems beeinflussen, wobei aber nicht alle Elemente miteinander in Beziehung stehen müssen. Das hat zur Folge, dass einzelne Aktivitäten nicht unabhängig voneinander ablaufen.
Beziehungen innerhalb von Systemen können stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Diese Intensität kann durchaus variieren und beeinflusst die Komplexität des Systems, wobei der Beziehungsreichtum zwischen den Elementen den Grad der Komplexität bestimmt.
Bei der Untersuchung von Beziehungen wird zwischen gleichgerichteten Beziehungen (je größer… – desto größer…, je weniger… – desto weniger…) und entgegengerichteten Beziehungen (je größer… – desto kleiner…, je weniger… – desto mehr…) unterschieden.
Was ist das Systemverhalten?
Das Verhalten eines Systems ist vom Verhalten seiner Elemente abhängig. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Beziehungen zwischen den Elementen, also der Aspekt, wie die Elemente untereinander agieren.
Die entgegen- oder gleichgerichteten Beziehungen zwischen Elementen werden im Zeitablauf betrachtet, womit bei voranschreitender Zeit ein dynamisches Verhalten erkennbar wird. Der Systemzustand variiert dabei kontinuierlich.
Die Verhaltensstruktur hängt vom Wirkungsverlauf zwischen den Elementen ab, der unterschiedlich ausgeprägt sein kann: der Wirkungsverlauf kann linearer, progressiver oder degressiver Art sein. Dabei benötigt jede Einwirkung eines Elementes auf ein anderes eine bestimmte Zeit, d.h. die Einwirkung kann langsam, schnell, aber auch positiv oder negativ beschleunigt ablaufen.
Wenn sich Elemente gegenseitig beeinflussen, spricht man von Rückkopplung. Je mehr solcher Beziehungen vorliegen, desto größer ist die Dynamik des Systems. Diese Rückkopplungen können eskalierende Wachstumsprozesse (positive Rückkopplungen) oder zielsuchende Prozesse bzw. stabilisierende Schwingungen (negative Rückkopplungen) zur Folge haben.
Eskalierende Prozesse führen zu Ergebnissen, die weitere Aktionen mit noch größeren Wirkungen auslösen. Auf einer Bühne leitet ein Mikrophon Schall an einen Verstärker, an den ein Lautsprechersystem angeschlossen ist. Treffen die Schallwellen wiederum auf das Mikrophon, entsteht eine sich selbstverstärkende Schleife, die sich als immer lauter werdendes Pfeifen bemerkbar macht. Eine Lawine nimmt umso mehr Schnee mit, je größer sie ist und wird.
Bei stabilisierenden Prozessen versucht das System, Abweichungen zwischen dem Soll- und Ist-Wert der zu regelnden Größe durch kompensierende Aktionen zu reduzieren. Nimmt in einem Fischbecken die Population von Raubfischen zu, so reduziert sich die individuell verfügbare Nahrungsmenge, was ein weiteres Wachstum verlangsamt, stoppt oder gar umkehrt. Ein Heizungssystem reduziert beim Erreichen einer bestimmten Temperatur die Zufuhr weiterer Energie. Auf diese Weise wird der Temperaturanstieg gebremst.
Was sind soziale Systeme?
Menschen und deren Handlungen sind die Elemente in sozialen Systemen. Die Beziehungen zwischen den Menschen werden durch Handlungen gestaltet. Handlungen erfolgen dabei bewusst und unbewusst auf Grund jener Annahmen und Vorstellungen, die für die jeweilige Situation gemacht werden – beispielsweise wird eine Handlung gegenüber einem Vorgesetzten oft abhängig von dessen Erwartung gestaltet werden.
Handlungen und das dabei sichtbare Verhalten resultieren von den Gedanken, den persönlichen Zielen und Absichten sowie den Einstellungen, Empfindungen und Erfahrungen von Personen. Dazu gehören auch subjektive Deutungen, Regeln und Gewohnheiten sowie die Beziehungen zur Systemumwelt.
Menschliches Handeln unterliegt also einer ganzen Reihe von Einflussfaktoren. Diese Einflussfaktoren existieren nicht isoliert voneinander, sondern bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Das Handeln und Verhalten des einzelnen Menschen ist beeinflusst vom jeweiligen sozialen System und beeinflusst dieses wiederum.
Handlungen und Verhalten werden nicht jeden Tag neu erfunden, sondern unterliegen einem individuellen Verhaltensmuster, welches durch obige Einflüsse geprägt und auch verändert wird. Da sich Menschen in einem sozialen System wechselseitig beeinflussen, gibt es theoretisch unendlich viele Handlungsmöglichkeiten für die beteiligten Akteure.
Gleichzeitig werden zwecks Reduktion der Komplexität bestimmte Handlungsmuster ausgewählt und reproduziert, wodurch wiederkehrende Muster entstehen. Diese werden als Transaktionsmuster bezeichnet und entsprechen den Rückkopplungskreisen in anderen Systemen. Transaktionsmuster sind innerhalb der Kommunikation wichtig, um für sich selbst und für andere berechenbar zu sein.
Was sind Strukturen?
Generische (= allgemeingültige) Strukturen dienen dazu, das Verhalten komplexer Systeme zu verstehen und tragen zur Entwicklung von Lösungen bei, welche die in den Systemen entstehenden Problemfelder zu lösen helfen.
Generische Strukturen sind so allgemeingültig und allgegenwärtig, dass eine sehr geringe Anzahl generischer Strukturen ausreicht, um den größten Teil der in der Unternehmensrealität entstehenden Situationen abbilden zu können.
Peter Senge, Professor am MIT (Massachusetts Institute of Technology), hat 1990 neun Systemarchetypen vorgestellt, die helfen sollen, wiederholende Systemverläufe zu erkennen. Sie bilden „den Schlüssel für bessere Wahrnehmung von Ereignissen oder Handlungen und in der Folge für gezielte organisatorische Veränderungen“:
- Gleichgewichtsprozess
- Grenzen des Wachstums
- Problemverschiebung
- Erodierende Ziele
- Eskalation
- Erfolg den Erfolgreichen
- Tragödie der Gemeingüter
- Fehlerkorrekturen
- Wachstum und Unterinvestition
Was ist Eskalation?
Die Eskalation und der Gleichgewichtsprozess bilden die Grundstruktur aller Modelle und der weiteren Archetypen.
Der Archetyp Eskalation ist ein sich selbstverstärkender Kreislauf und wird auch Motor genannt. Die Bezeichnung Motor ist insbesondere zutreffend, weil dieser einmal in Schwung gebrachte Kreislauf nicht mehr zum Stoppen kommt. Beispielsweise führt ein Preiskampf zwischen Unternehmen dazu, dass die Konkurrenten ihre Preise immer weiter senken und so ihre Gewinne reduzieren.
Die nachfolgende Abbildung stellt folgenden dynamischen Prozess dar: je mehr Geburten, desto größer die Bevölkerung der nächsten Generation. Die gestiegene Bevölkerung erhöht (isoliert von allen anderen möglichen Einflussfaktoren!) wiederum die Anzahl der Geburten. Ist dieses dynamische System einmal in Schwung gekommen, nimmt die Bevölkerung über die Zeit exponentiell zu.
Aufgrund der Bevölkerungsexplosion kann das gesamte dynamische System als destabilisierend bezeichnet werden. Selbstverständlich kann der Prozess auch entgegengesetzt verlaufen: je weniger Geburten, desto kleiner die Bevölkerung, desto weniger werden wiederum die Geburten. In diesem Fall führt das System zu einer Bevölkerungsimplosion, was ebenfalls eine Destabilisierung des Systems nach sich zieht.
Was ist der Gleichgewichtsprozess?
Der Archetyp Gleichgewichtsprozess, auch zeitverzögerte Balance genannt, ist ein dynamischer Kreislauf mit einer negativen Rückkopplung (vergleiche Abbildung 6). Diese negative Rückkopplung wirkt sich stabilisierend auf das ganze System aus; gleichzeitig wirkt dies Veränderungen entgegen:
Die Dauer einer zeitlichen Verzögerung kann als störend empfunden werden; der ausbleibende angestrebte Zustand wird als nicht ausreichende Eigenaktion gedeutet. Das kann dazu führen, dass die Aktion unnötigerweise verstärkt wird und letztendlich über das Ziel hinausschießt, wodurch eine ungewollte verstärkende Rückkopplung entsteht (Overshoot). Um z.B. die steigende Nachfrage nach einem Produkt zu befriedigen, werden die Produktionskapazitäten erhöht. Wenn die erhöhte Produktion nach einiger Zeit angelaufen ist, ist die Nachfrage wieder gesunken und es entsteht ein Überangebot.
Was ist die Tragödie der Gemeingüter?
Der Archetyp Tragödie der Gemeingüter bezieht sich insbesondere auf Modelle mit freien Ressourcen, welche auch Gemeingüter oder Kollektivgüter (auch als Allmenden bezeichnet) genannt werden.
Die Idee, dass Gemeingüter ohne Rücksicht auf deren ökologische Tragfähigkeit übernutzt und letztlich zerstört werden, geht u.a. auf Garrett Hardin (1968) zurück. Genau diese Tragik der Allmend wurde von Senge (2006) für seinen Archetyp „Tragödie der Gemeingüter“ verwendet.
Wie der Abbildung 9 zu entnehmen ist, wird in diesem Modell die Allmend „Wiese“ von den Personen A und B gemeinsam genutzt. Der Kreislauf von Person A kann wie folgt beschrieben werden: je größer A’s Einzelaktivität ist, desto größer fallen die Netto-Gewinne für A aus. Analog dazu verhält sich die Person B. Je größer A’s und B’s Einzelaktivität ausfallen, desto größer ist gleichzeitig die Gesamtaktivität auf der Allmend. Die Gesamtaktivität der beiden Konkurrenten nimmt stetig zu und der Gewinn per Einzelaktivität nimmt stetig ab, weil die Wiese auf der Allmend aufgrund der starken Nutzung einen immer kleineren Ertrag abwirft.
Beide Personen plündern die Ressourcen der Allmend, bis diese völlig vernichtet sind. Jeder handelt nach seinem persönlichen Vorteil und es kann im Voraus nicht genau abgeschätzt werden, wie sich die andere Person verhält.
Um das Verhalten beider Personen bei der Tragödie der Gemeingüter besser modellieren zu können, wird oft das Gefangenendilemma der Spieltheorie zu Hilfe gezogen. Lösungsansätze für die Tragödie der Gemeingüter wären beispielsweise allgemeingültige Rahmenbedingen zur Nutzung der Allmend. In Bezug auf das Meer als Gemeingut besteht eine der möglichen Lösungen darin, international fixe Fangquoten für den Fischfang zu vereinbaren.
Was sind erodierende Ziele?
In einer Situation „erodierender Ziele“ existiert eine Kluft zwischen einem Soll-Ziel und der Ist-Situation. Diese Kluft kann entweder durch entsprechende, erhöhte Anstrengungen oder durch eine Reduktion der Zielhöhe allmählich reduziert wird.
Die oft kurzfristig vorgenommene (schnelle) Lösung reduziert die Ziele, weil angenommen wird, dass gegenwärtig abgesenkte Leistungsstandards nach einer durchgestandenen Krise wieder auf das ursprüngliche Niveau angehoben werden können. Die Erfüllung des (neuen) Ziels scheint damit sichergestellt, löst das zugrundeliegende Problem aber nur scheinbar. Um schuldenabhängige Kriterien zu erfüllen, definiert beispielsweise ein Staat seine Schulden dahingehend um, indem er den bedenklichen Teil davon aus der Berechnung auslagert. Die Neudefinition führte also zu einer Senkung der ursprünglichen Ziele.
Was sind Grenzen des Wachstums?
Eine weitere wichtige Rolle spielt die sogenannte „limits-to-growth generic structure“ (Grenzen des Wachstums), die in der nachfolgenden Abbildung dargestellt ist. Mittels dieser generischen Struktur können die Zwänge erfasst werden, denen eine Organisation aufgrund der Knappheit einer wichtigen Ressource bezüglich Ihres Wachstums unterworfen ist. Sie zeigt außerdem die Nachhaltigkeit des Ressourceneinsatzes in vielerlei Hinsicht auf. (1) (3)
Bekannt geworden ist dieser Ansatz als Bericht „The Limits to Growth“, welcher im Jahr 1972 vom „Club of Rome“ herausgegeben wurde. Die Autoren des Buches waren Donella und Dennis L. Meadows, Erich Zahn und Peter Milling vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die MIT-Studie nutzte die (damals neuartige) Technologie der wissenschaftlichen Systemanalyse und Computersimulation. Fünf Trends wurden in einem „Weltmodell“ komplexer Wechselwirkungen untersucht: Die beschleunigte Industrialisierung, das rapide Bevölkerungswachstum, die weltweite Unterernährung, die Ausbeutung der Rohstoffreserven und die Zerstörung des Lebensraumes.
Charakteristisch für die limits-to-growth-Struktur ist, dass sie aus mindestens einer verstärkenden und einer stabilisierenden Schleife besteht. Die verstärkende Schleife begünstigt das Wachstum des Unternehmens oder der Geschäftseinheit, während mittels der stabilisierenden Schleife die Einschränkungen im Wachstum beschrieben werden, die durch eine knappe Ressource hervorgerufen werden.
Die Wirkung der stabilisierenden Schleife ist zunächst verhältnismäßig schwach, während sie im Verlauf der unternehmerischen Entwicklung an Einfluss zunimmt und schließlich dazu führen kann, dass das Wachstum gebremst oder sogar umgekehrt wird. Das Wirtschaftswachstum eines Landes nimmt beispielsweise so lange zu, bis mindestens eine der dafür benötigten Ressourcen nicht mehr im gleichen Tempo regeneriert werden kann. Limitierende Ressourcen begrenzen das Wachstum. Quantitativ lässt sich dies durch langfristig abnehmende Zuwachsraten darstellen.
Die Strukturen der Wachstumsgrenze wirken in vielen Organisationen und auf vielen Ebenen. So wächst vielleicht ein High-Tech-Unternehmen rapide an, weil es über die Fähigkeit verfügt, neue Produkte einzuführen. Die Zahl der neuen Produkte steigt an, was zur Folge hat, dass die Einnahmen und der Techniker- und Forscherstab wachsen.
Schließlich wird der Technikerstab immer komplexer und schwieriger zu führen. Die Managementlast fällt häufig älteren Ingenieuren zu, die dann weniger Zeit für ihre eigene technische Arbeit haben. Da die erfahrensten Ingenieure von ihrer eigentlichen Arbeit abgezogen werden, um Managementpositionen zu betreuen, verlangsamt sich dadurch die Produktionsentwicklung ganz von alleine. Personen, die eigentlich für die Innovation zuständig waren, können nichts mehr dazu beitragen, dass neue Produkte auf dem Markt kommen.