Welche Definitionen gibt es in der Rechtswissenschaftliche?

Zuletzt aktualisiert: 24.01.2023

Was bedeutet die Notwendigkeit der Präzisierung?

Kommunizierende Personen mögen sich einbilden, dass ihre Kommunikation zufriedenstellend verläuft, tatsächlich aber reden sie aneinander vorbei. „Aneinander vorbeireden“ heißt, dass (stark vereinfacht) gesendete und empfangene Botschaften verschieden interpretiert werden. Manchmal lassen sich Mängel durch non-verbale Kommunikation (Mimik, Gestik, Tonfall) beheben, in anderen Fällen versucht man, verwendete Begriffe zu präzisieren. 

Wenn nun schon für die Alltagssprache präzise Begriffe notwendig sind, dann erst recht in der wissenschaftlichen Kommunikation. Die Präzisierung eines Begriffes, auch um seine Bedeutung durch Einengung eindeutig festzulegen, nennt man Begriffsexplikation oder Verschärfungsdefinition. Für einen Laien ist Stahl gleich Stahl und daher Stahlschiene gleich Stahlschiene. Um aber die Ausdehnung durch Wärme einer Stahlschiene zu überprüfen, muss präzisiert werden, um welche Art von Stahl es sich handelt, beispielsweise durch Angabe des Kohlenstoffgehaltes usw.

Abstrakte Begriffe wie Intelligenz, Vertrauen, usw. werden besonders in den Sozialwissenschaften verwendet. Auch der bereits verwendete Begriff „gute Kaufleute“ fällt darunter. Das Problem ist nun, solche abstrakte Begriffe empirisch (durch Wahrnehmung) zu messen. Ein Beispiel aus einer universitären Vorlesung „Forschungs- und Untersuchungsplanung“:

Der Dozent ersucht zwei Versuchspersonen, eine weiblich, die andere männlich, den Raum kurz zu verlassen. Mit den verbleibenden Studenten wird vereinbart, die Hypothese „Bei Streitgesprächen sind Männer aggressiver als Frauen“ durch Beobachtung zu überprüfen. Es werden keine weiteren Instruktionen gegeben, wie eine solche Beobachtung zu erfolgen hat. Die beiden Versuchspersonen werden hereingerufen und ersucht, in einem 15-minütigem Streitgespräch jeweils die andere Person vom eigenen Standpunkt zu überzeugen (Thema und Rolle werden vorher festgelegt). Das Gespräch beginnt, die übrigen Studenten beobachten (was den Versuchspersonen nicht bekannt ist). Nach Gesprächsende erklärt der Dozent den Versuchspersonen, dass sie bezüglich Aggression beobachtet wurden sind und ersucht die beobachtenden Studenten um ihr Verdikt. Wie vorauszusehen war gab es stark unterschiedliche Auffassungen zu dem abstrakten Begriff „Aggressivität“.

Dieses einfache Beispiel zeigt, dass abstrakte Begriffe zu ihrer Messung in beobachtbare Einheiten zerlegt werden müssen, hier beispielsweise in Erhöhung der Stimmstärke, Vorbeugen des Körpers, Verwendung von Kraftausdrücken, usw., sowie deren Häufigkeit festzustellen ist. Diesen Vorgang nennt man Operationalisierung, also die Überführung in wahrnehmbare Operationen. Operationalisierung ist eine Sonderform der Definition, sie wird ausführlicher bei der Besprechung von Untersuchungsplanungen beschrieben.

Welche Definitionsarten gibt es?

Eine Definition ist die Angabe der Bedeutung eines sprachlichen Zeichens – eines Wortes, Symbols oder einer Abkürzung. Dieses sprachliche Zeichen wird Definiendum genannt. In „Wir definieren Kosten als …“ ist „Kosten“ das Definiendum.

Die Menge der Wörter, die wir benutzen, um die Bedeutung des Definiendums zu bestimmen, ist das Definiens: „Wir definieren Kosten als den Verbrauch von Produktionsfaktoren in Geldeinheiten“ – das Definiens ist „Verbrauch von Produktionsfaktoren in der Abrechnungsperiode in Geldeinheiten“.

Der Vollständigkeit halber sollen nichtverbale Definitionen erwähnt werden, sie sind für den wissenschaftlichen Gebrauch nicht interessant und werden deshalb auch nicht näher besprochen. Nichtverbale Definitionen sind ostensiver (hinzeigender) Natur: „Der da ist ein Macho“.

Die wichtigere verbale Definition eines Begriffs enthält Angaben über dessen Bedeutungsinhalt (Intension) und dessen Bedeutungsumfang (Extension).

Der Bedeutungsinhalt (die Intension) wird durch die Menge der konstituierenden Merkmale festgelegt. Beispiel: Kosten = (1) Verbrauch von Produktionsfaktoren (2) in der Abrechnungsperiode (3) in Euro. Der Bedeutungsumfang (die Extension) ist die Menge der Objekte, auf welche die Merkmale zutreffen.

Verbrauchte ProduktionsfaktorenÄpfel
kg / €
Birnen
kg / €
Diese Periode10 / 20,005 / 12,50
Vorige Periode12 / 24,004 / 10,00

Menge der Objekte für (1) = 8 (10; 20,00; 5; 12,50; 12; 24,00; 4; 10,00) 
Menge der Objekte für (1) und (2) = 4 (10; 20,00; 5; 12,50)
Menge der Objekte für (1), (2) und (3) = 2 (20,00; 12,50) 

Je größer die Intension, umso mehr Merkmale also auf die Objekte zutreffen müssen, umso kleiner wird die Anzahl dieser Objekte (und umgekehrt).

Mit der Definition Kosten = (1) Verbrauch von Produktionsfaktoren (2) in der Abrechnungsperiode (3) in Euro (Intension mit drei Merkmalen) trifft die Extension auf zwei Objekte zu. Würde im obigen Beispiel die Definition lauten: Kosten = (1) Verbrauchte Produktionsfaktoren (Intension mit nur einem Merkmal), so würde die Extension (der Bedeutungsumfang) acht Objekte ausmachen.

Intension und Extension stehen daher in gegenläufiger Beziehung.

Für viele Begriffe gibt es situationsabhängig verschiedene Definitionen. So ist man manchmal genötigt, für eine ganz bestimmte Situation eine bestimmte Definition auszuwählen. Beispiel: „Für die folgende Betrachtung wollen wir mit ‚Frau‘ ein beliebiges weibliches Wesen annehmen …“. Diese Art von Definition, die einem bestimmten Zweck dient, heißt stipulativ oder synthetisch. Das Definiens besteht hier übrigens nur aus einem Merkmal, daher ist zu erwarten, dass es auf viele Objekte zutrifft – große und kleine Mädchen eingeschlossen. Wird ein neuer Begriff (Definiendum) geprägt, so ist die Definition dafür ebenfalls stipulativ.

Findet nun ein neu geschaffener Begriff allgemeine Verwendung, indem er beispielsweise in den Duden aufgenommen wird, so wird seine Definition lexikalisch (beschreibend, analytisch) – wie für alle anderen Begriffe mit Bedeutungen, die anerkannten Konventionen folgen.

Wir haben bereits erwähnt, dass das Definiens aus der Menge der Wörter besteht, die wir benutzen, um die Bedeutung des Definiendums zu bestimmen (auch eine Definition!). Diese „Menge der Wörter“ kann auf zweifache Weise gebildet werden.

Die Nominaldefinition kennen wir bereits, sie hat die Form:

Definiendum = Definiens
(kurzer Ausdruck = langer Ausdruck)

Beispiel: 

Kosten = Verbrauch von Produktionsfaktoren in der Abrechnungsperiode in Euro. 

Zum anderen gibt es die exemplarische Definition, bei der Beispiele für alle Merkmale aus der Nominaldefinition angegeben werden: Kosten = 20,00€; 12,50€. Dies kann besonders dann sinnvoll sein, wenn es nur wenige Beispiele und Merkmale gibt und wenn eine exakte Nominaldefinition weniger brauchbar ist: Die Grundfarben sind rot, gelb, blau.

Definitionen sind nicht wahr oder falsch, sondern mehr oder weniger brauchbar (nützlich). Damit sie brauchbar sind, sollten sie folgenden Prinzipien entsprechen:

  • Ähnlichkeit: Es sollen möglichst keine neuen Begriffe geschaffen, sondern bereits gebräuchliche verwendet werden
  • Exaktheit: In einem wissenschaftlichen Zusammenhang soll es keine Objekte geben, von denen nicht genau angegeben werden kann, ob sie unter eine bestimmte Definition fallen oder nicht
  • Vollständigkeit der konstituierenden Merkmale: Alle konstituierenden Merkmale eines Definiendums sollen im Definiens genannt werden (siehe Beispiel Kosten)
  • Unabhängigkeit der konstituierenden Merkmale: Die einzelnen konstituierenden Merkmale eines Definiendums sollen trennscharf sein (also nicht beispielsweise: Kosten = Produktionsfaktoren, Rohstoffe, Hilfsstoffe …)
  • Verständlichkeit: Die Definition soll so komplex wie nötig und so einfach wie möglich formuliert sein
  • Zirkelfreiheit: Im Definiens darf nicht wieder das Definiendum vorkommen, auch nicht in abgewandelter Form (also nicht beispielsweise: Kosten = alle jene Kosten, die bei der Produktion anfallen)
  • Positivität: Das Definiens nennt die zutreffenden und nicht die nicht zutreffenden Merkmale (also nicht beispielsweise: Frau = alle, die keine männlichen Wesen sind)  
  • Eliminierbarkeit: Das Definiendum kann jederzeit durch das Definiens ersetzt werden, ohne dass ein Informationsverlust oder eine Informationsveränderung eintritt.

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