Was ist das Leistungsstörungsrecht?

Zuletzt aktualisiert: 21.04.2023

Das Schuldrecht ist derjenige Teil des Privatrechts, der die Schuldverhältnisse regelt. Es befasst sich mit dem Recht einer natürlichen oder juristischen Person, von einer anderen Person auf Grund einer rechtlichen Beziehung eine Leistung zu verlangen. Merkmal des Schuldrechts ist, dass es als relatives Recht lediglich zwischen den beteiligten Personen wirkt.

Im Rahmen solcher Schuldverhältnisse kann eine Person also eine Leistung von einer anderen Person verlangen. Hinsichtlich der Erbringung der Leistung kann es auch vorkommen, dass die Leistung nicht rechtzeitig erbracht wird oder gar nicht mehr erbracht werden kann (z. B. weil sie unmöglich geworden ist). Dann kann der Gläubiger der Leistung beispielsweise Schadensersatz verlangen oder vom Vertrag zurücktreten. Dies geht allerdings nur, wenn der Schuldner diese Leistungsstörung zu vertreten hat.

Eine Leistungsstörung ist Ausdruck eines vertraglichen Schuldverhältnisses, das nicht den vereinbarten Verlauf nimmt. Der Begriff der Leistungsstörung ist im Gesetz nicht definiert. Allgemein werden aber darunter alle Tatbestandsmerkmale verstanden, die nicht zu einer ordnungsgemäßen Ausführung des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses gehören und das Schuldverhältnis daher nicht, wie ursprünglich vorgesehen, vonstattengeht.

Bezogen auf die Leistungsstörung sind damit folgende Fälle denkbar:

  • Der Schuldner erbringt die zugesicherte Leistung nicht.
    Beispiel:
    V und K schließen einen Kaufvertrag, in dem sich V verpflichtet, die Sache am 1.3.2013 zu liefern. K erhält keine Lieferung am 1.3., auch nicht in den Tagen darauf.
  • Der Schuldner leistet später als vereinbart.
    Beispiel:
    V und K schließen einen Kaufvertrag, in dem sich V verpflichtet, die Sache am 1.3.2013 zu liefern. K erhält keine Lieferung am 1.3., sondern erst am 2.3 2013.
  • Der Schuldner leistet nicht wie erwartet, d. h. es erfolgt eine Schlechtleistung.
    Beispiel:
    A gibt seine Jacke in die Reinigung des R. Als A die Jacke abholt, stellt er fest, dass die Jacke zwar sauber ist, aber ein Knopf abgerissen und dadurch ein Loch in der Jacke ist.

Diese Leistungsstörungen müssen nicht zwingend immer nach Vertragsschluss auftreten. Sie können auch geschehen, bevor es überhaupt zum Abschluss eines Vertrages gekommen ist. Somit sind verschiedene Zeitpunkte für die Leistungsstörung denkbar:

  • Vor Abschluss des Vertrages:
    Hier ist der Zeitraum angesprochen, in dem lediglich Vertragsverhandlungen aufgenommen wurden oder sich der Vertrag erst anbahnt oder ähnliche geschäftliche Kontakte vorliegen. Das ergibt sich aus § 311 Abs. 2 BGB, wonach ein Schuldverhältnis mit den Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB bereits in den zuvor genannten Fällen entsteht.
  • Nach Abschluss des Vertrages:
    Ist der Vertrag einmal geschlossen, können Leistungsstörungen entweder direkt bei der Erbringung der Leistung (also bei der Erfüllung) entstehen oder aber auch nach der Erfüllung, weil sich im Nachhinein herausstellt, dass die Leistung zwar erbracht worden ist, aber eine Schlechtleistung stattgefunden hat.

Grundsätzlich muss aber nicht danach differenziert werden, wann die Leistungsstörung eintrat. Dies stellt § 280 BGB sicher, wonach der Gläubiger Schadensersatz verlangen kann, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt und diese Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. § 280 BGB verwendet hier also den Begriff des Schuldverhältnisses und bezieht sich nicht lediglich nur auf die Zeit nach Abschluss eines Vertrages.

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Was bedeutet die Verantwortlichkeit des Schuldners?

Im Recht der Leistungsstörungen gilt hauptsächlich das Verschuldensprinzip. Was der Schuldner zu vertreten hat (auch als „Vertretenmüssen“ bezeichnet), ist in den §§ 276 bis 278 BGB geregelt. 

Generell hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 BGB). Unter Vorsatz wird allgemein das Wissen und Wollen des Verletzungserfolges, hier also der Pflichtverletzung, verstanden. 

Beispiel:
V und K schließen einen Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen. Obwohl V weiß, dass es ein Unfallfahrzeug ist, verneint er eine entsprechende Frage des K.

Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt derjenige fahrlässig, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Hierbei kommt es nicht darauf an, was der Einzelne an Sorgfalt erbringen kann, sondern vielmehr was von einem durchschnittlichen Mitglied der Berufs- und Altersgruppe des Schädigers gewöhnlich erwartet werden kann.

Beispiel:
M kauft eine neue Geschirrspülmaschine und schließt diese sogleich an. Allerdings übersieht er, dass der Wasseranschluss mit dem beiliegenden Dichtungsring vorgenommen werden soll. In der Folge gibt es einen Wasserschaden in der Küche des M, der auch in der darunter liegenden Wohnung bemerkbar ist.

In manchen Fällen tritt eine bestimmte Rechtsfolge nur bei grober Fahrlässigkeit ein. Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders grobem Maße verletzt. Das bedeutet, dass dann dasjenige nicht beachtet wurde, was in der jeweiligen Situation jedem anderen hätte einleuchten müssen.

Beispiel:
Autovermieter V übergibt dem M ein Fahrzeug, das M für einen Tag mietet. Bevor V das Fahrzeug an M übergibt, will V noch den Füllstand des Tanks ermitteln. Dazu leuchtet V mit einem brennenden Streichholz in den Tank, der daraufhin Feuer fängt.

Hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte hat der Schuldner nach § 278 S. 1 BGB ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. § 278 BGB ist im Übrigen auch anwendbar, wenn sich ein Erfüllungsgehilfe mit Wissen des Schuldners einer weiteren Hilfsperson bedient.

Beispiel:
Elektrohändler H verkauft einen neuen Einbauherd an K. H lässt den Herd durch A anliefern, der den Herd sogleich auch einbauen und anschließen will. Als A den Herd mit seiner Sackkarre in die Küche des K hineinschiebt, stößt er an den Küchentisch. Dabei wird der Tisch des K stark beschädigt.

xWie am Ende des vorangegangenen Abschnittes bereits dargelegt, kann der Gläubiger nach § 280 BGB nur dann Schadensersatz vom Schuldner verlangen, wenn der die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Aufgrund der Formulierung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB („Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat“) wird nach § 280 BGB vermutet, dass der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Hat er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten, dann muss er dies beweisen. Er trägt also die Beweislast. Erst wenn der Schuldner darlegen kann, dass ihn kein Verschulden trifft, muss er gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auch keinen Schadensersatz nach dieser Vorschrift leisten.

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Was ist das Fixgeschäft?

Da ein Ausfall der Leistungserbringung bei einem Fixgeschäft zur juristischen Unmöglichkeit der Leistung führt, wird die Begrifflichkeit des Fixgeschäftes an dieser Stelle eingeführt. Wird die Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht, dann hat der Gläubiger nach § 323 BGB ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag. Dabei kann er gem. § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf eine Fristsetzung verzichten, wenn ein Fixgeschäft vorliegt, d. h. wenn „der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat“. 

Von einem absoluten Fixgeschäft wird gesprochen, wenn die Leistung nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt möglich ist und eine verspätete Leistung vertragsgemäß keinen geschuldeten Erfolg mehr darstellt. In diesem Fall führt die Nichtleistung alleine durch Überschreiten des vereinbarten Zeitpunktes zur Unmöglichkeit der Leistung. Dann sind die §§ 275, 280, 283 f. und 326 BGB einschlägig.

Beispiele:

  • Live-Berichterstattung von einem Fußballspiel, wenn der extra dafür engagierte Reporter nicht erscheint. 
  • Bildaufnahmen eines Kometen im Moment seiner größten Nähe zur Erde (was bezüglich dieses einen Kometen nur ca. alle 100 Jahre passiert).

Ein relatives Fixgeschäft liegt dagegen vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit so wesentlich ist, dass das Geschäft mit der zeitgetreuen Erbringung der Leistung „stehen und fallen“ soll. In diesem Fall ist eine spätere Erfüllung trotzdem noch möglich, weshalb keine Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB eintritt. Das relative Fixgeschäft führt allerdings zu einem erleichterten Rücktrittsrecht (§ 323 Abs. 2 N. 2 BGB).

Beispiel:
Ein Kaufhaus soll „spätestens am 20.11. des Jahres“ mit Weihnachtsartikeln beliefert werden, weil dann das Weihnachtsgeschäft beginnt. Die Lieferung trifft an diesem Tag jedoch nicht ein.

Die Abgrenzung in absolutes und relatives Fixgeschäft ist nicht einheitlich. So wird das absolute Fixgeschäft zum Teil auch strenges oder uneigentliches Fixgeschäft genannt. Statt vom relativen Fixgeschäft wird manchmal vom einfachen oder eigentlichen oder gewöhnlichen Fixgeschäft gesprochen.

Beim relativen Fixgeschäft ist die Zeit für die Erfüllung so wesentlich, dass das ganze Geschäft mit der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung der Zeit zustande bzw. nicht zustande kommen soll. So deuten beispielsweise Formulierungen wie „Lieferung bis spätestens 30.4.2012 fix“ (d. h. Zusätze wie z. B. „fix“, „prompt“, „genau“) auf ein einfaches Fixgeschäft hin. 

Ist für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, dann handelt es sich um ein sog. Kalendergeschäft (§ 284 Abs. 2 Nr. 1). Das bedeutet, dass der Schuldner seine Leistung (bis) zu diesem Zeitpunkt erbracht haben muss. Handelt es sich dabei um ein Rechtsgeschäft, das nach dem Willen des Gläubigers so wesentlich sein soll, dass mit der pünktlichen Leistung das gesamte Geschäft stehen und fallen soll, dann liegt ein Fixgeschäft vor.

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