Was sind Handelsgeschäfte?
Buch 4 des HGB ist den Handelsgeschäften gewidmet. Die grobe Gliederung des Buches ist wie folgt:
- Abschnitt: §§ 343 bis 372 HGB: Allgemeine Vorschriften
- Abschnitt: §§ 373 bis 382 HGB: Handelskauf
- Abschnitt: §§ 383 bis 406 HGB: Kommissionsgeschäft
- Abschnitt: §§ 407 bis 452d HGB: Frachtgeschäft
- Abschnitt: §§ 453 bis 466 HGB: Speditionsgeschäft
- Abschnitt: §§ 467 bis 475h HGB: Lagergeschäft
Handelsgeschäfte sind danach also vor allem der Handelskauf und das Kommissionsgeschäft sowie das Fracht-, das Speditions- und das Lagergeschäft.
Im Folgenden wird auf die Abschnitte 1 bis 3 eingegangen, wobei der 1. Abschnitt u. a. auch die Handelsbräuche (§ 346 HGB) sowie die Folgen des Schweigens im Handelsverkehr (§ 362 HGB) enthält.
Was sind Handelsbräuche?
§ 346 HGB besagt, dass unter Kaufleuten in Ansehung der Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen ist. Diese Gewohnheiten und Gebräuche werden allgemein mit dem Begriff Handelsbräuche bezeichnet.
Nach Schade, 2012, S. 74 sind unter dem Begriff des Handelsbrauchs nach § 346 HGB also solche Gewohnheiten und Gebräuche zu verstehen, die im Handelsverkehr üblich sind, d. h. die durch die einheitliche, gleichmäßige und freiwillige Übung der beteiligten Kreise bereits seit längerer Zeit einen verpflichtenden Charakter angenommen haben.
Dennoch: Ein konkreter Handelsbrauch ist in keinem Gesetz verankert. Dass es Handelsbräuche gibt, ergibt sich aus § 346 HGB. Diese gelten auch, wenn der Einzelne diese (bzw. einige davon) weder kennt noch will. Sie sind insofern zwischen dem zwingenden Recht (dieses gilt ja zwingend) und dispositivem Recht (d. h. es ist optional) angesiedelt, was bedeutet, dass sie dispositivem Recht zumeist vorgehen. Auch wenn der Einzelne keine Kenntnis von einem bestimmten Handelsbrauch hat, ist im Streitfall eine Anfechtung wegen Unkenntnis des Handelsbrauchs nicht möglich (Schade, 2012, S. 74).
Allerdings ist § 346 HGB nur „unter Kaufleuten“ anwendbar. Das bedeutet, dass diese Vorschrift nur für solche Handelsgeschäfte gilt, bei denen alle Vertragspartner Kaufleute sind.
Beispiele:
Zwei Beispiele, die immer wieder zu lesen sind, sind die folgenden:
- Bäuerlicher Viehmarkt:
Eine seit langem geltende Sitte auf einem bäuerlichen Viehmarkt ist der klatschende Handschlag, d. h. es kommt ein Kaufvertrag zwischen zwei Beteiligten dadurch zustande, dass sie ihre Handflächen klatschend aneinander hauen. - Parketthandel in der Börse:
Hier kommen Geschäfte durch winzige Zeichensignale zustande.
Allerdings ist gerade hinsichtlich des zweiten Beispiels zu bedenken, dass heutzutage vermehrt elektronische Order durchgeführt werden. Durch die Übertragung der Daten ist somit ein gewisser Zeitverzug zu berücksichtigen, der andererseits nicht zum Nachteil der Kunden sein sollte.
Handelsbräuche zwischen Kaufleuten sind somit also rechtlich verpflichtend, auch wenn diese vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart wurden bzw. mindestens einem Beteiligten nicht bekannt sind. Aber individuelle Vereinbarungen, die von Handelsbräuchen abweichen, haben Vorrang vor den Handelsbräuchen.