Was sind die gesetzlichen Schuldverhältnisse?
Was ist die Geschäftsführung ohne Auftrag?
Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist in den §§ 677 ff. BGB geregelt. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag liegt i. S. v. § 677 BGB immer dann vor, wenn jemand für einen anderen in dessen Interesse rechtsgeschäftlich oder tatsächlich tätig wird, ohne von diesem beauftragt oder in sonstiger Weise berechtigt worden zu sein. Es handelt sich damit um einen Eingriff in die Rechtssphäre einer anderen Person, ohne von dieser dazu den Auftrag erhalten zu haben und ohne dazu berechtigt zu sein. Zwischen dem Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn kommt dann ein gesetzliches Schuldverhältnis mit auftragsähnlichem Charakter zustande, jedoch kein Vertrag. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Geschäfte ordnungsgemäß zu führen (§ 677 BGB).
Beispiel:
A, der eine Mietwohnung in der dritten Etage bewohnt, ist für zwei Monate in den warmen Süden verreist, um der kalten Jahreszeit zu entfliehen. Drei Wochen nach Abreise des A bemerkt Nachbar N, der in der zweiten Etage direkt unter A wohnt, dass in seinem Badezimmer Wasser von der Zimmerdecke tropft. N vermutet, dass es bei A zu einem Wasserrohrbruch gekommen sein könnte und verständigt sofort einen Schlüsseldienst und die Polizei, damit die Wohnungstür des A geöffnet und nachgesehen werden kann. Wie sich herausstellt, war der Wasserhahn des Waschbeckens nicht ganz zugedreht und der Abfluss verstopft, so dass das Wasser inzwischen überschwappte und das Badezimmer mittlerweile unter Wasser gesetzt hatte. Nach der Rückkehr des A verlangt N von A, dass dieser ihm die Kosten erstatten möge, die er wegen der zwangsweisen Türöffnung hatte. Es handelt sich hierbei um eine Geschäftsführung ohne Auftrag i. S. d. § 677 BGB.
Neben den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag regeln die §§ 677 ff. BGB auch das Verhältnis zwischen dem sog. Geschäftsführer und dem Geschäftsherrn. Insbesondere wird auch die Frage beantwortet, inwieweit der Geschäftsführer Ersatz seiner Aufwendungen verlangen darf (§§ 683, 670 BGB).
Welche Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gibt es?
Gem. § 677 BGB müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt. Diese sind:
- Es muss sich um die Besorgung eines fremden Geschäfts handeln.
- Der Geschäftsführer muss einen Fremdgeschäftsführungswillen besitzen.
- Die Geschäftsbesorgung muss dem Willen und dem Interesse des Geschäftsherrn entsprechen.
Was bedeutet Besorgung eines fremden Geschäfts?
Die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag ist nach § 662 BGB analog zu verwenden. Es liegt danach ein rechtsgeschäftliches oder tatsächliches Tätigwerden vor. Diese Geschäftsbesorgung darf jedoch nicht vollständig in eigenen Angelegenheiten erfolgen, sondern es muss sich gem. § 677 BGB um ein fremdes Geschäft handeln. Damit sind alle Handlungen gemeint, die in erster Linie einen anderen betreffen. Das heißt, es ist also ausreichend, wenn es sich nur teilweise um ein fremdes Geschäft handelt.
Beispiel:
A bemerkt, dass es in der Küche der Wohnung des Nachbarn N brennt. A stößt die Wohnungstür des N auf und löscht das Feuer mit seinem Feuerlöscher. Hiermit verhindert A, dass die Küche es N nicht komplett ausbrennt. A handelt aber auch im eigenen Interesse, denn er verhindert durch sein Tun ein mögliches Übergreifen des Feuers auf seine eigene Wohnung.
Was bedeutet der Geschäftsführer muss einen Fremdgeschäftsführungswillen besitzen?
Diese Voraussetzung bezieht sich darauf, dass diejenige Person, die eine Geschäftsführung ohne Auftrag besorgt, sich dessen bewusst ist, dass die Handlung im Sinne eines anderen erfolgt. Da die Handlung nicht nur im fremden Sinne erfolgen muss, muss sich die handelnde Person dennoch bewusst sein, dass sie zumindest auch für einen anderen handelt.
Was ist Interesse sowie wirklicher oder mutmaßlicher Wille des Geschäftsherrn
Des Weiteren muss ein Interesse des Geschäftsherrn bestehen und es muss seinem wirklichen oder zumindest mutmaßlichen Willen entsprechen. Der wirkliche Wille ist immer dann gegeben, wenn der Geschäftsherr sich ausdrücklich (oder konkludent) mit der Vornahme der Geschäftsbesorgung einverstanden erklärt.
Beispiel:
N vermutet bei A einen Wasserrohrbruch in der Wohnung. N ruft den A an und fragt, ob er dessen Wohnungstür aufbrechen darf.
Vom mutmaßlichen Willen ist hingegen immer dann auszugehen, wenn der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände der Sachlage sich einverstanden erklärt hätte, wenn man ihn gefragt hätte.
Beispiel:
N vermutet bei A einen Wasserrohrbruch in der Wohnung. Da A verreist ist und N keine Kontaktdaten des A hat, beschließt N, die Wohnungstür des A aufzubrechen, um Schlimmeres zu verhindern.
Welche Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag gibt es?
Liegt eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor, d. h. die Voraussetzungen für eine Geschäftsführung ohne Auftrag sind erfüllt, dann kann der Geschäftsführer den Ersatz seiner Aufwendungen aus § 683 BGB verlangen. Sollte der Geschäftsführer aus der Geschäftsführung ohne Auftrag etwas erlangt haben, dann ist er natürlich verpflichtet, dieses nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben (§ 684 Abs. 1 BGB).
Beispiel:
A bemerkt, dass es in der Küche der Wohnung des Nachbarn N brennt. A stößt die Wohnungstür des N auf und löscht das Feuer mit seinem Feuerlöscher. A kann sich die Kosten für den Feuerlöscher ersetzen lassen.
Was ist das Bereicherungsrecht?
Das Bereicherungsrecht (bzw. das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung) ist in den §§ 812 ff. BGB geregelt. Es soll Vermögensverschiebungen, die ohne (rechtlichen) Grund erfolgt sind, rückgängig machen. Nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist jemand zur Herausgabe verpflichtet, wenn durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt wurde. Aus dieser Formulierung ergeben sich zwei Grundtatbestände der ungerechtfertigten Bereicherung:
- Leistungskondiktion („durch die Leistung eines anderen“)
- Nichtleistungskondiktion („in sonstiger Weise“)
Was ist die Leistungskondiktion?
Zweck der Leistungskondiktion ist es, Leistungen rückgängig zu machen, wenn diese ohne Verpflichtungsgeschäft oder aber ohne rechtlichen Grund erfolgt sind. Dies kann zum einen bedeuten, dass beispielsweise ein Kaufvertrag nichtig ist. Dann sollen die §§ 812 ff. BGB dazu beitragen, dass bereits durchgeführte Leistungen zurück zu gewähren sind.
Beispiel:
V und K haben einen Kaufvertrag geschlossen. K hat den vereinbarten Kaufpreis in voller Höhe bezahlt. Noch bevor V die Sache übergeben und dem K das Eigentum an der Sache verschaffen konnte, wird der Kaufvertrag nichtig.
K hat nun gegen V einen Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB. Diese Vorgehensweise ist nötig, weil im deutschen Privatrecht das Abstraktionsprinzip existiert. Danach hängt der Eigentumsübergang einer Sache (hier das bereits gezahlte Geld), damit die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts, weder von der Wirksamkeit noch vom Vorhandensein des Verpflichtungsgeschäfts ab.
Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion) ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Es muss eine Bereicherung vorliegen („etwas erlangt“).
- Die Bereicherung muss „durch die Leistung eines anderen“ erfolgt sein.
- Die Bereicherung muss „ohne rechtlichen“ Grund passiert sein.
Was ist die Nichtleistungskondiktion?
Hat jemand etwas „in sonstiger Weise“ erlangt, dann liegt die sog. Nichtleistungskondiktion vor. Zur Nichtleistungskondiktion zählt als wichtigster Unterfall die Eingriffskondiktion, bei der das Erlangte nicht aus einer Leistung stammt, sondern beispielsweise aus einem Diebstahl oder aus dem Gebrauch einer fremden Sache.
Beispiel:
Die Kuh des Bauern B frisst sich auf Weide des Bauern W satt. In diesem Fall liegt eine Nichtleistungskondiktion vor, da das Futter „in sonstiger Weise“ erlangt wurde.
Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB (Nichtleistungskondiktion) ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Es muss eine Bereicherung vorliegen („etwas erlangt“).
- Die Bereicherung muss „in sonstiger Weise“ erfolgt sein.
- Die Bereicherung muss „ohne rechtlichen“ Grund passiert sein.
Was sind die Rechtsfolgen?
Bei der Leistungs- als auch bei der Nichtleistungskondiktion ist das Erlangte gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. resp. 2. Alt. BGB herauszugeben. Der Umfang der Herausgabe richtet sich nach § 818 Abs. 1 BGB.
Ist eine Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder kann das Erlangte aus einem anderen Grund nicht herausgegeben werden, dann ist stattdessen Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).
Eine Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten bzw. zum Wertersatz ist ausgeschlossen, falls die Bereicherung nicht mehr besteht (§ 818 Abs. 3 BGB).