Was ist das Deliktsrecht?

Zuletzt aktualisiert: 31.01.2022

Den bisherigen Ausführungen zum Schuldrecht ist zu entnehmen, dass es drei Arten von Schuldverhältnissen gibt. Diese sind:

  • Vertragliche Schuldverhältnisse (also z. B. der Kaufvertrag und andere im Sinne von § 311 Abs. 1 BGB)
  • Rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse (§ 311 Abs. 2 und 3 BGB, z. B. Verschulden bei Vertragsschluss)
  • Gesetzliche Schuldverhältnisse (Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherungsrecht, Deliktsrecht)

Gesetzliche Schuldverhältnisse basieren im Gegensatz zu vertraglichen und rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnissen nicht darauf, dass zwei Parteien etwas voneinander wollen und dadurch gewisse Rechte und Pflichten eingehen, sondern ergeben sich aus Handlungen, die für jedermann nicht erlaubt sind. Man spricht deshalb auch von einer Jedermannshaftung.

Das Deliktsrecht gehört ebenfalls zum Schuldrecht, zum Besonderen Teil des Schuldrechts, das sich über die §§ 241 bis 853 BGB erstreckt. Es befasst sich mit dem zivilrechtlichen Teil der Haftung für unerlaubte Handlungen, auch als „Recht der unerlaubten Handlungen“ bezeichnet (§§ 823 bis 853 ff. BGB).

Was ist die Verschuldenshaftung?

Bei der Verschuldenshaftung geht es um eine Haftung aus verschuldetem Unrecht, so dass ein Opfer einen finanziellen Ausgleich für erlittene Nachteile eines solchen Unrechts erhält. Die Verschuldenshaftung wird im Folgenden näher betrachtet.

Was bedeutet Verletzung von Rechtsgütern und
absoluten Rechten (§ 823 Abs. 1 BGB)
?

Bei allen Normen zum Schadensersatz ist zwischen dem haftungsbegründenden Tatbestand (das bedeutet also: Ist der Schädiger überhaupt schadensersatzpflichtig) und dem haftungsausfüllenden Tatbestand (d. h. Art und Umfang des Schadensersatzes) zu unterscheiden. § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass eine Person eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung begangen hat, wodurch ein Rechtsgut einer anderen Person verletzt wurde und dies zu einem Schaden geführt hat.

Gem. § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Aus dieser Vorschrift ergeben sich einige Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Schadensersatzanspruch besteht. Die Voraussetzungen werden nun einzeln vorgestellt.

Was ist die Handlung?

Für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB muss zunächst eine Handlung, d. h. ein Tun oder Unterlassen, vorliegen.

Beispiel:
X verbrennt das Buch des B. Hier hat X eine Handlung vorgenommen, indem er das Buch verbrannt hat.

Eine Handlung ist jedes menschliche Tun (oder auch Unterlassen), das bewusst durchgeführt wird und auch willensmäßig gelenkt werden kann. Sie ist damit als beherrschbar zu betrachten. 

Das Unterlassen ist allerdings nur dann dem Tun gleichzustellen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestanden hätte. Dies ist dann der Fall, wenn eine objektive Gefahrenlage besteht. In diesem Fall müssen alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zur Vermeidung von Schäden anderer getroffen werden.

Was bedeutet Verletzung eines Rechtsguts oder eines Rechts?

Durch die Handlung muss in adäquat kausaler Weise ein in § 823 Abs. 1 BGB genanntes Rechtsgut oder Recht verletzt worden sein. Beispiel:

Als X das Buch des B verbrannt hat, hat X damit das Eigentum des B verletzt.

Für den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB muss eine Schädigung eines Rechtsguts oder eines Rechts vorliegen. Es genügt nicht irgendeine Schädigung, sondern abgedeckt sind nur die in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter und Rechte, also das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht. Ein sonstiges Recht ist ein solches Recht, das – wie das Eigentum auch – einen absoluten Inhalt hat, d. h. das Recht muss gegenüber jedermann wirken und von jedem zu beachten sein. Hierzu gehören z. B. dingliche Rechte (beispielsweise das Pfandrecht, das Grundpfandrecht), Urheberrecht oder auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (wie beispielsweise der Schutz der Privatsphäre).

Was bedeutet haftungsbegründende Kausalität des Schadens?

Es muss des Weiteren in adäquat kausaler Weise ein Schaden entstanden sein.

Beispiel:
X hat das Buch des B verbrannt. Die Verbrennung ist kausal, d. h. ursächlich für die Zerstörung des Buches.

Unterschieden werden muss zunächst zwischen der haftungsbegründenden und der haftungs-ausfüllenden Kausalität. Ist eine Handlung für ein in § 823 Abs. 1 BGB genanntes Rechtsgut oder Recht ursächlich, dann liegt eine haftungsbegründende Kausalität vor. Entsteht daraus ein Schaden, dann liegt in der Schadensentstehung eine haftungsausfüllende Kausalität vor.

Kausal, d. h. ursachlich, ist ein Ereignis dann, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Analog ist die Kausalität hinsichtlich des Unterlassens zu sehen. Eine haftungsbegründende Kausalität liegt dann vor, wenn ein Tun nicht hinzugedacht werden kann, so dass die Verletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können.

Der Begriff „Schaden“ ist im BGB selbst nicht definiert. Allgemein wird aber jede Einbuße, die jemand unfreiwillig an seinen rechtlich geschützten Gütern erleidet, als Schaden verstanden. Oder anders ausgedrückt, Schaden ist eine unfreiwillige Vermögensminderung.

Zu unterscheiden sind der Vermögensschaden (materieller Schaden) und der Nichtvermögensschaden (immaterieller Schaden). Ein Vermögensschaden ist eine Einbuße an Gütern, die einen Vermögenswert haben, d. h. der Schaden muss demnach monetär berechnet werden können. Ein Nichtvermögens-schaden ist umgekehrt ein Schaden, der keinen Vermögensschaden darstellt. Die Trennung in diese beiden Schadenskategorien ist auch deshalb wichtig, da gem. § 253 Abs. 2 BGB eine „billige Entschädigung in Geld gefordert werden“, falls es sich um einen immateriellen Schaden handelt.

Beispiele:

  • Vermögensschaden: Beschädigung eines Pkws.
  • Nichtvermögensschaden: Körperliche Schmerzen.

Was bedeutet Rechtswidrigkeit?

Es muss sich um eine rechtswidrige Handlung handeln, d.h. für die Handlung gibt es keinen Rechtfertigungsgrund. Sofern nicht ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, wird die Rechtswidrigkeit regelmäßig durch die Rechtsgutverletzung indiziert. Ein solcher Rechtfertigungsgrund könnte z. B. bei Notwehr (§ 227 BGB), Einwilligung des Verletzten, Besitzwehr (§§ 859 Abs. 1, 860 BGB) oder erlaubter Selbsthilfe (§§ 229, 230 BGB) vorliegen.

Was bedeutet Verschulden?

Es muss außerdem ein schuldhaftes Handeln vorliegen. Dies ist bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit gegeben. Das Verschulden setzt hierbei voraus, dass der Betreffende verschuldensfähig ist gem. §§ 827, 828 BGB (Ausschluss und Minderung der Verantwortlichkeit aufgrund eines Zustands der Bewusstlosigkeit oder einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Minderjährigkeit).

Was sind Rechtsfolgen?

Sind die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt, dann besteht ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Schadensersatzleistung kann dann bestehen aus:

  • Herstellen des ursprünglichen Zustands (§ 249 Abs. 1 BGB), z. B. durch eine Reparatur; oder
  • Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB), z. B. bei einem Personenschaden. 
  • Zusätzlich: Anspruch auf Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB)

Im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands ist dabei zu prüfen, ob und in welchem Umfang ein Schaden entstanden ist und wie dieser zu ersetzen ist. Neben der Differenzierung in den Vermögensschaden (materieller Schaden) und Nichtvermögensschaden (immaterieller Schaden), siehe oben, ist zwischen dem positiven und negativen Interesse abzugrenzen.

Das negative Interesse wird auch Vertrauensschaden genannt. Hier wird nur der Nachteil ersetzt, der durch das Vertrauen auf die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes entstanden ist (z. B. bei § 122 BGB. Schadensersatzpflicht des Anfechtenden). Der Geschädigte ist dann so zu stellen, als hätte er das Rechtsgeschäft nie geschlossen. Damit gäbe es für ihn auch keinen entgangenen Gewinn.

Beispiel:
K hat mit V einen Vertrag geschlossen und für die gekaufte Sache eine Versicherung abgeschlossen, für die er einen sehr hohen Beitrag zahlen muss. V ficht den Vertrag an. K hat die Beiträge somit umsonst bezahlt. 

Die Versicherungsbeiträge sind der Vertrauensschaden. Diesen Schaden hätte K nicht erlitten, hätte er nicht auf die Wirksamkeit des Kaufvertrags vertraut.

Beim positiven Interesse besteht ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. Hierbei ist der Geschädigte so zu stellen, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden. Ein möglicherweise entgangener Gewinn (z. B. bei den §§ 281 bis 283 BGB) ist dann zu berücksichtigen.

Beispiel:
Händler H kauft beim Bauern B Spargel, für 4,- € pro Kilogramm. B ficht den Kaufvertrag an. H hätte den Spargel für 7,- pro Kilogramm verkaufen können.

H ist kein Schaden im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts entstanden. Der entgangene Gewinn ist sein positives Interesse. Dieses ist jedoch nach § 122 Abs. 1 BGB nicht zu ersetzen. H soll nur so gestellt werden, als hätte er nie von dem Geschäft gehört. Dann hätte er aber auch keinen Gewinn machen können. 

Ob tatsächlich ein Schaden zu bejahen ist, ist anhand der sog. Differenzhypothese zu ermitteln. Ein Vermögensschaden liegt dann vor, wenn der aktuelle tatsächliche Wert des Vermögens geringer ist als der Wert der Vermögenslage, in der sich der Geschädigte ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses befinden würde. Das bedeutet, dass sich der Schaden nach der Differenz von zwei Güterlagen bemisst: 

  1. Tatsächliche, durch das schädigende Ereignis geschaffene Güterlage.
  2. Hypothetische, ohne das schädigende Ereignis gedachte Güterlage.

Beispiel:
Z zerkratzt die Fahrertür am Pkw der P. Der P sind dadurch Kosten in Höhe von 1.200,- € für die Lackierung der Tür entstanden. Hätte Z die Tür nicht zerkratzt, dann wäre die Tür nicht beschädigt gewesen. Dann wären auch keine Reparaturkosten für die P entstanden. Ein Schaden in Form der Reparaturkosten in Höhe von 1.200,- € liegt damit vor.

Was bedeutet Verletzung von Schutzgesetzen (§ 823 Abs. 2 BGB)?

§ 823 Abs. 1 BGB schützt die Rechtsgüter und die absoluten Rechte einer anderen Person. Absatz 2 dieser Vorschrift enthält nun eine weitere, von Absatz 1 unabhängige Anspruchsgrundlage. Das bedeutet, ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB kann bestehen, während ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 nicht besteht.

Gem. § 823 Abs. 2 BGB besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, wenn jemand gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Somit findet sich hier eine Erweiterung des Schutzes auf das gesamte Vermögen des anderen. Solche Schutzgesetze können z. B. sein: § 266 StGB (Veruntreuung von Geldern), § 263 StGB (Betrug, d. h. Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils).

Um das Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz zu begründen, müssen also folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Es muss eine Handlung (Tun oder Unterlassen) vorliegen.
  • Diese Handlung muss einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz darstellen.
  • Es muss Kausalität vorliegen, d.h. dieser Verstoß muss für den entstandenen Schaden ursächlich sein.
  • Dieser Verstoß muss rechtswidrig sein.
  • Dieser Verstoß muss schuldhaft sein.

Beispiel:
Der an Hautkrebs leidende H kauft von A eine stark überteuerte Hautcreme, da A dem H in betrügerischer Absicht erzählt hat, die Creme würde den Hautkrebs des H in kurzer Zeit heilen. In diesem Fall kann H keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB geltend machen, da keines der in dieser Vorschrift genannten Schutzgüter verletzt wurde. H hat allerdings einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, da A einen Betrug gem. § 263 StGB begangen hat. Der § 263 StGB will Personen vor derartigen Vermögenseinbußen schützen.

Was bedeutet Haftung für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB)?

Viele Unternehmer beschäftigen Arbeitnehmer, die für den jeweiligen Unternehmer Leistungen für das Unternehmen zu erbringen haben. Bei den zu verrichtenden Tätigkeiten durch diese Verrichtungsgehilfen können auch Schäden entstehen. Zwar kann der Geschädigte dann möglicherweise den Verrichtungsgehilfen in Anspruch nehmen (v. a. dann, wenn Vorsatz vorliegt), jedoch existiert mit § 831 BGB eine Vorschrift, nach der in solchen Fällen der Unternehmer als Geschäftsherr möglicherweise haften muss. 

Beispiel:
Bauarbeiter B ist beim Bauunternehmer U beschäftigt. Für diesen befindet sich der B gerade auf der Baustelle in der Hagener Innenstadt, wo eine Gebäudefassade in der Fußgängerzone zu renovieren ist. B befindet sich gerade auf dem Gerüst, als er durch grobe Unachtsamkeit gegen einen Farbtopf tritt, dar daraufhin nach unten fällt. Einige Passaten werden mit Farbe zum Teil erheblich bespritzt, ein Passant auch vom Farbtopf am Kopf getroffen. Diesem entstehen Arztkosten zur Behandlung seiner erlittenen Gehirnerschütterung und der Wunde am Kopf und allen mit Farbe getroffenen Passanten entstehen Reinigungskosten. Da B mittellos ist, möchten die geschädigten Passanten ihre Kosten vom U erstattet bekommen.

Gem. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB ist derjenige, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Dabei besteht der Haftungsgrund des Geschäftsherrn darin, dass dieser für eigenes Fehlverhalten hinsichtlich einer nicht ausreichenden Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen in die Haftung genommen wird. Dabei wird gesetzlich vermutet, dass der Unternehmer schuldhaft gehandelt hat, sofern er diese Vermutung nicht widerlegt.

Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB ist, wer von einem Geschäftsherrn mit einer Tätigkeit betraut ist und dabei den Weisungen des Geschäftsherrn Folge zu leisten hat. Ob der Verrichtungsgehilfe dabei für seine Tätigkeit bezahlt wird, ist unerheblich.

Kann der Geschäftsherr darlegen, dass er bei der Auswahl und der Überwachung des Verrichtungsgehilfen ordnungsgemäß vorgegangen ist, dann kann er für die vom Verrichtungsgehilfen verursachten Schäden nicht haftbar gemacht werden. Das wird allgemein mit dem Begriff Exkulpation bezeichnet.

Beim Lesen der Vorschriften wird auch der Unterschied zwischen dem § 278 BGB und diesem § 831 BGB klar. § 278 BGB ist weiter gefasst als § 831 BGB, da sich der § 278 auf den Erfüllungsgehilfen (also nicht auf den Verrichtungsgehilfen) bezieht und somit auch den selbstständigen Unternehmer mit einschließt. Bei § 831 BGB ist lediglich der Verrichtungsgehilfe gemeint, der den Weisungen des Geschäftsherrn Folge zu leisten hat. Zudem muss der Geschäftsherr nach § 831 für ein Verschulden seiner Hilfspersonen nicht unbedingt haften, wenn er sich exkulpieren kann.

Um einen Schadenersatzanspruch aus § 831 BGB zu haben, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss eine Handlung (Tun oder Unterlassen) vorliegen.
  • Der Schädiger ist der Verrichtungsgehilfe für einen anderen.
  • Die Schädigung erfolgte „in Ausführung“ der Verrichtung.
  • Es muss zudem der objektive Tatbestand einer rechtswidrigen unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB erfüllt sein, ein Verschulden ist hierbei unerheblich.

Ein Auswahl- und Überwachungsverschulden sowie die Kausalität zur Schädigung werden vermutet, wenn gilt:

  • Der Geschäftsherr kann diese Vermutung nicht widerlegen (keine Exkulpation, d. h. kein Entlastungsbeweis):
    • Die eigene Sorgfalt konnte nicht nachgewiesen werden.
    • Die fehlende Kausalität konnte nicht dargelegt werden.

Zu prüfen ist auch, ob dem Geschädigten eventuell ein Mitverschulden anzulasten ist. Dann ist § 254 BGB anzuwenden. Nach § 254 Abs. 1 BGB hängen die Verpflichtung und der Umfang des Schadensersatzes auch davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat.

Die Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzungen ist, dass der Geschäftsherr nach § 831 BGB haften muss. Daneben ist auch eine Haftung des Verrichtungsgehilfen möglich, wenn die Tatbestands-merkmale des § 823 BGB erfüllt sind, also vor allem, wenn ihm ein Verschulden zugesprochen werden kann. Möglich wäre auch, dass beide als Gesamtschuldner haften müssen (§ 840 BGB).

Was bedeutet Haftung für fehlerhafte Produkte?

Fehlerhafte Produkte können auch Schäden beim Konsumenten verursachen. In den meisten Fällen scheitern vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Händler deshalb, weil dieser die Fehlerhaftigkeit des Produkts nicht zu vertreten hat. Somit ist er nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Da dem Verkäufer (bzw. Händler) kein Verschulden trifft, kommen deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Damit bleiben dem Konsumenten nur deliktische Ansprüche gegen den Produzenten. Angesprochen wird damit die Haftung des Produzenten für fehlerhafte Produkte.

Als Anspruchsgrundlage für die Haftung des Produzenten kommen daher § 823 ff. BGB sowie § 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) in Betracht. Während es sich bei der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB um eine verschuldensabhängige Haftung handelt, ist die Produkthaftung nach dem ProdHaftG eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Produzenten, der für alle durch seine Produkte verursachten Schäden und Folgeschäden haften muss. 

Gem. § 4 Abs. 1 ProdHaftG ist ein Hersteller, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Als Hersteller gilt zudem auch, wer sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. Die Produkthaftung trifft danach nicht nur den Hersteller, sondern auch den Importeur und in gewissen Fällen auch den Lieferanten.

Was ist die verschuldensabhängige Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB?

Möchte man einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB geltend machen, dann muss ein schuldhaftes Handeln vorliegen (siehe oben). Das bedeutet, dass der Hersteller eine ihm obliegende Sorgfalts- bzw. Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hat. Denkbar sind hier zwei Varianten:

  • Es wurde ein fehlerhaftes Produkt in Umlauf gebracht
  • Das Produkt selbst ist zwar mangelfrei, jedoch entstand ein Schaden durch die Verwendung des Produktes

Ist das Produkt selbst fehlerhaft, dann kann ein Konstruktionsfehler, ein Fabrikationsfehler oder ein Instruktionsfehler vorliegen. Auf die verschiedenen Fehlerarten wird nachfolgend etwas näher eingegangen.

Liegt ein Konstruktionsfehler vor, dann ist nicht nur ein einzelnes Stück betroffen, sondern möglicherweise eine ganze Produktionsserie oder sogar alle Produkte derselben Gattung.

Beispiel:
Im Rahmen einer Rückrufaktion empfiehlt ein Automobilhersteller seinen Kunden, das Fahrzeug in die Werkstatt zu bringen, falls diese ein bestimmtes Modell aus einem bestimmten Produktionszeitraum besitzen. 

Fabrikationsfehler liegen dagegen vor, wenn nicht alle Produkte einer Gattung oder die Produkte einer ganzen Serie betroffen sind, sondern lediglich einzelne Stücke. Dies kann passieren, wenn die Produktion an sich zwar mangelfrei produziert hat, jedoch nur bei Einzelstücken Fehler entstanden sind.

Beispiel:
Bei der Produktion eines Pkw wurde eine Schraube bei der Befestigung eines Scheibenwischers überdreht. Der Scheibenwischer fällt nach mehrmaligem Gebrauch deswegen ab. 

Wurde zwar ein fehlerfreies Produkt in den Verkehr gebracht, kann dennoch ein Schaden durch die Verwendung des Produktes entstehen. Hat der Hersteller seine Informations- bzw. Warnpflicht objektiv verletzt, dann muss der Hersteller beweisen, dass er die Folgen nicht vorhersehen konnte und ihm daher ein Verschulden nicht zuzuschreiben ist.

Was bedeutet die verschuldensunabhängig Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz?

Während die Produzentenhaftung eine verschuldensabhängige Haftung darstellt, ist die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) eine verschuldensunabhängige Haftung. 

Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts gem. § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Gem. § 2 ProdHaftG ist ein Produkt jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität.

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