Wie unterstützen Anwendungssysteme bei Geschäftsprozessen?
Ein Geschäftsprozess ist eine zielgerichtete, zeitlich-logische Abfolge von Aufgaben, die arbeitsteilig von mehreren Organisationen oder Organisationseinheiten meist unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien, ausgeführt werden können.
Er dient der Erstellung von Leistungen entsprechend den vorgegebenen, aus der Unternehmensstrategie abgeleiteten, Prozesszielen. Ein Geschäftsprozess kann formal auf unterschiedlichen Detaillierungsebenen und aus mehreren Sichten beschrieben werden. Ein maximaler Detaillierungsgrad der Beschreibung ist dann erreicht, wenn die ausgewiesenen Aufgaben je in einem Zug von einem Mitarbeiter ohne Wechsel des Arbeitsplatzes ausgeführt werden können.
Ein Geschäftsprozess kann (und soll) in mehrere Teilschritte aufgespalten werden:
Wichtige Merkmale von Geschäftsprozessen sind:
- Sie umfassen logisch zusammengehörige Vorgänge
- Die Aufgabenobjekte eines Geschäftsprozesses besitzen betriebswirtschaftliche Relevanz (Rechnung, Auftrag, Ware, etc.)
- Sie sind zielorientiert und mit dem Austausch von Informationen bzw. Leistungen zwischen Objekten einer Organisation verbunden
- Sie werden durch ein auslösendes Startereignis aktiviert und durch ein Endereignis beendet
- Sie haben einen konkreten Bezug zu den obersten Zielen eines betrieblichen Systems (Zielpyramide)
- Sie sind hierarchisch strukturiert (Komplexitätsbeherrschung)
- Hinsichtlich der Überprüfung der Zielerreichung besitzen Geschäftsprozesse weiterhin die Merkmale Zeit, Kosten, Qualität und Kundenzufriedenheit bezüglich der erstellten Leistung
Ein Workflow ist die meist informationstechnische Realisierung eines Geschäftsprozesses. Workflows
- sind eine zum Teil automatisiert ablaufende Gesamtheit von Aktivitäten,
- werden von einem Workflow-Management-System gesteuert/überwacht,
- beziehen sich auf Teile eines Geschäftsprozesses und
- bestehen aus Vorgangsabschnitten (Sub-Workflows).
Anders ausgedrückt: Ein Workflow ist ein formal beschriebener, ganz oder teilweise automatisierter Geschäftsprozess. Er beinhaltet die zeitlichen, fachlichen und ressourcenbezogenen Spezifikationen, die für eine automatische Steuerung des Arbeitsablaufes auf der operativen Ebene erforderlich sind. Die hierbei anzustoßenden Arbeitsschritte sind zur Ausführung durch Mitarbeiter oder durch Anwendungsprogramme vorgesehen. Von dem Workflow als Typ oder Schema eines (teil-) automatisierten Arbeitsablaufes zu unterscheiden ist eine Workflow-Instanz, die eine konkrete Ausführung des Workflows bezeichnet.
Als Beispiel nehmen wir die Genehmigung oder Ablehnung eines Urlaubsantrags. Der zugehörige Prozess beschreibt den Ablauf, also beispielsweise
- Formular für den Urlaubsantrag ausfüllen
- Dem Vorgesetzten zur Genehmigung übersenden, z.B. via E-Mail oder Hauspost
- Der Vorgesetzte vermerkt die Genehmigung oder eine Ablehnung
- Bei Ablehnung wird der Antrag dem Antragsteller retourniert
- Bei Genehmigung wird der Antrag zunächst an das Personalbüro weitergeleitet, welches den Urlaub in die Urlaubsliste einträgt. Danach wird der genehmigte Antrag dem Antragsteller retourniert
Ein IT-Workflow dazu würde
- Ein Formular zum Ausfüllen eines Urlaubsantrags bereitstellen
- Das ausgefüllte Formular dem Vorgesetzten elektronisch zur Erledigung vorlegen
- Der Vorgesetzte kann durch Anhaken am Formular den Antrag genehmigen oder ablehnen und eine Begründung oder einen Kommentar dazu abgeben
- Ein abgelehnter Antrag wird wieder dem Antragsteller elektronisch zur Kenntnis gebracht, eventuell kann der Antrag auch gleich korrigiert und nochmals vorgelegt werden
- Ein genehmigter Antrag wird dem Personalbüro elektronisch zur Information gebracht und dem Antragsteller zur Information übersendet
In einem solchen Workflow-System wären beispielsweise die Formulare nur mehr IT-mäßig vorhanden. Papier entfällt, Anträge und der Verlauf können jederzeit auch nachträglich eingesehen werden. Wenn der Vorgesetzte auf Dienstreise oder auf Urlaub ist kann automatisch seine Vertretung über den Urlaubsantrag informiert werden, ohne dass das dem Antragsteller bekannt sein muss und ähnliches mehr.
Solche Systeme werden Workflow-Management-Systeme (Abk.: WMS oder WFMS) genannt. Workflow-Management-Systeme sind somit Anwendungssysteme, mit dessen Hilfe Workflows definiert, verwaltet und ausgeführt werden können. Die Ausführungsreihenfolge ist durch eine formale Repräsentation der Prozesslogik im Anwendungssystem determiniert.
Workflow-Management-Systeme können als prozessorientierte Software verstanden werden. Sie unterstützen durch verschiedene Funktionalitäten die Beschreibung, Modellierung und Ausführung von Geschäftsprozessen, z. B. die Vorgänge zur Abwicklung einer Bestellung.
Die Vorgangsabwicklung erfolgt dann durch teilweise sequenzielle, teilweise parallele Ausführung der modellierten Schritte. Nachdem der Prozess im WFMS implementiert wurde, erfolgt seine (teil-)automatische Ausführung. Zunächst wird bei Eintreten eines Ereignisses der richtige Prozesstyp ausgewählt und gestartet. Das WFMS zerlegt ihn sinnvoll in die eigentlichen Teilfunktionen und ermöglicht zu jedem Zeitpunkt das Einholen von Informationen über den Stand der Prozessbearbeitung. Am Ende schließt das WFMS den Prozess ab und führt die Ergebnisse zusammen.
Die Funktionsweise eines Workflow-Management-Systems ist in der Abbildung 70 dargestellt. Ein aus mehreren Schritten bestehender Workflow wird teils von verschiedenen Personen, teils durch unterschiedliche Anwendungen unterstützt. Zu erkennen sind teilautomatisierte Workflow-Schritte mit personellen Eingriffen ebenso wie ein vollautomatischer Workflow-Schritt. Die Anwendungen werden teilweise mit Office-Produkten, mit ERP-Systemen oder mit selbst entwickelten Datenbanklösungen unterstützt.
